piwik no script img

Report zu Vitalzeichen des PlanetenForscherteam sieht Erde auf dem Weg ins Klima-Chaos

Emissionen, Waldverlust, Meerestemperaturen – nichts davon weist in die richtige Richtung. Ein Report zeigt, wo Gegenstrategien beginnen könnten.

Celle, 27. September 2024: In einer länderübergreifende Großübung proben Niedersachsen und Bayern die Bekämpfung von Waldbränden Foto: Rüdiger Wölk/imago

dpa | Wäre die Erde ein Patient, läge sie wohl mittlerweile auf der Intensivstation: Einer aktuellen Studie zufolge haben rund zwei Drittel (22 von 34) Lebenszeichen des Planeten ein Rekordniveau erreicht – und das ist in den meisten Fällen nicht positiv. „Ohne wirksame Strategien werden wir schnell mit eskalierenden Risiken konfrontiert sein, die Frieden, Regierungssysteme sowie öffentliche Gesundheit und Stabilität der Ökosysteme zu überwältigen drohen“, sagt Studienautor William Ripple von der Oregon State University, der mit einem internationalen Team im Fachblatt BioScience über die Vitalzeichen der Erde berichtet.

Bei den betrachteten Lebenszeichen geht es um Aspekte wie CO₂-Emissionen, Verbrauch von Kohle, Öl und Gas, Waldverlust durch Brände, Meerestemperaturen und viele mehr – alle genannten Indikatoren gehören zu jenen 22, die neue Rekordstände erreicht haben.

Das internationale Team, an dem auch der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, beteiligt ist, sieht in seiner Bestandsaufnahme einen Beleg dafür, dass sich unser Planet dem „Klima-Chaos“ annähert. Etliche Lebenszeichen entwickelten sich rapide in die falsche Richtung.

2024 sei bereits das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen – und das aktuelle Jahr sehe nicht besser aus: „Bislang hat das Kohlendioxid in der Atmosphäre 2025 einen Rekordwert erreicht, der wahrscheinlich durch einen plötzlichen Rückgang der Kohlenstoffaufnahme durch Landflächen, teilweise aufgrund von El Niño und intensiven Waldbränden, noch verschlimmert wurde“, erklären die Autoren. Eine gefährliche Entwicklung durch eine beschleunigte Erwärmung, Rückkopplungseffekte und mögliche Kipppunkte könne wahrscheinlicher geworden sein.

Verschiedene CO₂-Quellen

Ein Beispiel: Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre sei schneller gestiegen, als die Emissionen fossiler Brennstoffe es vermuten ließen – den Autoren zufolge hatten die enormen Waldbrände in vielen Regionen der Welt ihren Anteil.

Das Team ruft zum Umsteuern auf. „Strategien zur Eindämmung des Klimawandels sind verfügbar, kosteneffizient und dringend erforderlich. Von Waldschutz und erneuerbaren Energien bis hin zu überwiegend pflanzlicher Ernährung – wir können die Erderwärmung noch begrenzen, wenn wir entschlossen und schnell handeln.“

Neben den genannten Maßnahmen wirft das Team ein besonderes Augenmerk auf die Verschwendung von Lebensmitteln, die 8 bis 10 Prozent der weltweiten Emissionen ausmache – diese zu reduzieren, habe also enormes Potenzial.

„Die Kosten für die Eindämmung des Klimawandels dürften weitaus geringer sein als die globalen wirtschaftlichen Schäden, die klimabedingte Auswirkungen verursachen könnten“, betonen die Forschenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • "Strategien zur Eindämmung des Klimawandels sind verfügbar, kosteneffizient und dringend erforderlich."



    Das "dringend erforderlich" würde ich unterschreiben.



    Hinsichtlich "verfügbar" und "kosteneffizient" erscheint mir die Aussage allerdings reichlich mutig.



    Besonders wenn "verfügbare" Lösungen darin bestehen, CO2-Emissionen nicht etwa zu vermindern, sondern sie einfach in den Stromsektor rüberzuschieben. Woselbst sie das Speicherproblem nicht lösen, sondern "kosteneffizient" verschärfen...



    Eine zielführende und machbare Strategie steht noch in den Sternen.

  • Nunja, noch ne Studie, legt sie auf den Stapel. Es liegt wirklich nicht dran, daß uns Daten oder Analysen fehlen würden. Aber wir haben ja offensichtlich genug wichtigere Dinge zu tun: "mimimi, meine Einflusssphäre", "Mein eingebildeter Freund ist aber realer als dein eingebildeter Freund" und "ich brauch noch mehr goldene Kloschüsseln für meinen Ballsaal" hat alles ganz klar Priorität.



    Diesmal geht der "Darwin Award" wohl an eine ganze Spezies. Ausgerechnet an die, die sich den Arten-Beinamen "sapiens" verpasst hat....

  • Es wäre so schön solche Fakten mal vor dem gesamten Bundestag vorzutragen..wie etwa in ähnlicher Form in Dänemark geschehen.







    Da sich aber hier zu Lande offenbar viele Abgeordnete für "schlauer" halten als die Wissenschaft, könnte in der Zwischenzeit ja die Medienlandschaft mal nachfragen, bei den Abgeordneten. Weil es kann ja nicht schaden zu wissen, wie viel Realitätsbezug in deren Köpfen vorhanden ist..







    Schließlich würden Sie doch auch in kein Flugzeug steigen, mit einem Piloten, der von Navigation oder Maßnahmen im Notfall noch nie was gehört hat..oder..??







    Bei der Klima-Politik scheint das bislang aber noch so zu sein..

  • "Neben den genannten Maßnahmen wirft das Team ein besonderes Augenmerk auf die Verschwendung von Lebensmitteln, die 8 bis 10 Prozent der weltweiten Emissionen ausmache – diese zu reduzieren, habe also enormes Potenzial."



    Das ist schon sehr erstaunlich, dass dieser Sektor derart beteiligt ist.



    Wenn ich allerdings die aktuellen Maßnahmen zur Tierseuchenbekämpfung betrachte, bekomme ich eine Ahnung von Dimensionen, in denen Tiere wie Sachen behandelt werden, die plötzlich bedrohlich erscheinen und radikal vernichtet werden müssen.

  • Es wird nicht mehr lange dauern. Dann werden Politiker gewählt, die eine Umweltzerstörung wortwörtlich fordern, um den Wohlstand aufrecht zu erhalten. Ein Politiker nach dem Anderen.

    Die in der Minderheit befindlichen Gegner sind zunächst fassungslos, schließlich resignieren sie. Gier nach Konsumgütern frisst Hirn.

    Wir werden es noch bereuen, FFF und LG nicht gefolgt zu haben. Das nächste Kollapscamp wird euch Tips geben, bestens vorbereitet zu sein.

  • Sind wir nicht das vernunftbegabte Wesen? Klappt nicht in Experimenten Kooperation selbst bei Gefangenendilemmata? (Ok, beim Letztgenannten bekommen es Juristen und BWLer mehrheitlich nicht hin, alle anderen aber schon).



    Bevor es hart schmerzt, sogar uns, jetzt starten und sinnlosen Konsum durch sinnvolles Leben ersetzen, das soll ja sogar Spaß bereiten.