Repression gegen Immigranten in den USA: „Macht die Tür nicht auf“

Schutz in „Sanctuary Cities“: In Kalifornien hat sich eine Bewegung formiert, um Immigranten vor der Abschiebepolizei ICE zu schützen.

Eine Frau spricht bei einer Kundgebung in eine Mikrofon

Protest gegen die Immigrationspolitik Trumps Anfang Februar in Los Angeles Foto: reuters

Schon zu Jahresanfang hatte Thomas Homan, derzeit Leiter der nationalen Ausländerpolizei, die Kalifornier gewarnt: Sie müssten sich vorsehen, denn es werde „viel mehr Special Agents und viel mehr Abschiebepolizisten“ geben.

Homan ist Präsident Donald Trumps Mann in der United ­States Immigration and Customs Enforcement (ICE) genannten Zoll- und Polizeibehörde. Und er hat seine Drohung wahr gemacht: Mehr ICE-Agenten denn je inspizieren inzwischen in Kalifornien die Betriebe, mehr denn je führen – maskiert und schwer bewaffnet – Razzien durch. Mehrere Hundert Menschen, die ohne gültige Aufenthaltspapiere in dem Bundesstaat aufgegriffen wurden, sind interniert worden.

Das aggressive Auftreten der Ausländerpolizei in dem größten Bundesstaat der USA wendet sich gegen zwei Ziele zugleich. Das sind einerseits die führenden Politiker in der überwiegend demokratischen Hauptstadt Sacramento und andererseits die rund 2,3 Millionen – üblicherweise „Papierlose“ genannten – Immigranten, die in Kalifornien leben. Insgesamt wird die Zahl der in den USA lebenden Papierlosen auf etwa 11 Millionen geschätzt.

Wo die Polizei nicht fragt

Seit Trump diese Zuwanderer, ohne deren Arbeitskraft die Wirtschaft vielerorts brachliegen würde, im Visier hat, reagieren die Politiker in Sacramento mit einer Gegenbewegung: So haben sie zum Beispiel ein 50-Millionen-Dollar-Budget geschaffen, um ImmigrantInnen, die von Abschiebung bedroht sind, gratis Rechtshilfe zu geben.

Gouverneur Jerry Brown hat Kalifornien zu einem „Sanctuary State“ erklärt – einem Zufluchtsstaat, in dem die örtliche Polizei nicht nach dem Migra­tionsstatus fragt. Nur in Ausnahmefällen geben die kalifornischen Ämter Informationen an die Bundesbehörde ICE weiter.

Seit Anfang Januar ist in Kalifornien zudem ein Gesetz in Kraft, welches strenge Auflagen für Betriebsinspektionen der Ausländerpolizei vorsieht. Die ICE-Beamten müssen nun richterliche Verfügungen vor Betriebsprüfungen vorweisen, und die Firmen anstehende ICE-Inspektionen drei Tage zuvor ihren Beschäftigten mitteilen.

Gouverneur Brown hat Kalifornien zum „Sanctuary State“ – Zufluchtsstaat – erklärt

Die Behörden in Washington begründen die Razzien mit dem Schutz „nationaler Sicherheit“ und der Verteidigung „amerikanischer Arbeitsplätze“. Wie es einst Trump in seinem Präsidentschaftswahlkampf tat, bezeichnet ICE-Chef Homan Papierlose jetzt als „Illegale“ und „Gefahr für die anständigen Bürger“.

Wie andere Mitglieder der Trump-Regierung plädiert er zusätzlich dafür, gerichtlich – und auch mit Gefängnisstrafen – gegen Bürgermeister vorzugehen, die ihre Gemeinden zu Sanctuaries erklärt haben. Schon im vergangenen Jahr hat ICE in Kalifornien 1.300 Betriebsinspektionen gemacht. In diesem Jahr will ICE diese Zahl um 300 Prozent steigern. Nicht nur Kalifornien hat reagiert: In den USA gibt es inzwischen Hunderte von Sanctuary-Gemeinden sowie drei Sanctuary-Staaten. Eine Initiative des Washingtoner Justizministeriums, ihnen staatliche Gelder zu entziehen, hat ein Gericht vorerst gestoppt.

In Sacramento argumentieren die Politiker mit der Verteidigung der Menschenrechte und mit der Bedeutung der Papierlosen für die Wirtschaft ihres Bundesstaates. Sanctuary-Befürworter geben auch zu bedenken, dass EinwandererInnen sich nicht mehr trauten, häusliche Gewalt, Drogenhandel und andere kriminelle Ereignisse bei der örtlichen Polizei anzuzeigen, wenn ihnen die Auslieferung an die Abschiebepolizei droht.

Eine Welle von Razzien

Nachdem die ICE-Inspektoren im Central Valley in den zurückliegenden Wochen Dutzende von „Inspektionen“ gemacht haben, klagen die Landwirte dort bereits über Arbeitskräftemangel. Einer von ihnen, Mike Poindexter, dessen Unternehmen auf Walnüsse spezialisiert ist, berichtet, wegen eines bevorstehenden ICE-Besuchs seien „fünf bis zehn Prozent“ seiner Arbeiter freiwillig gegangen. Andere Arbeitgeber erwägen jetzt, ihre Beschäftigten verstärkt in die Scheinselbstständigkeit zu drängen, weil das ICE den Einblick erschwert.

Nicht nur landwirtschaftliche Betriebe sind betroffen: ICE-Kontrolleure gehen auch in Restaurants, Fuhrunternehmen, Nagelstudios und Geschäfte. Bei der Lebensmittelkette 7-Eleven hat ICE im Januar gleichzeitig Razzien in 98 Läden in 17 Bundesstaaten gemacht.

In Kalifornien klären nun Flugblätter und Videos papierlose EinwandererInnen über ihre Rechte auf. „Macht die Tür nicht auf“, heißt es darin. Und: „lasst euch den richterlichen Befehl unter der Türe durchschieben“. Papierlose vermeiden es nun, in Ketten wie 7-Eleven und Pollo Loco einzukaufen, die ICE im Visier hat.

In vielen Betrieben haben die Beschäftigten Fluchtwege organisiert, falls es zu Razzien kommt. Und vielerorts haben Eltern notarielle Verfügungen darüber hinterlegt, wer das Sorgerecht für ihre Kinder bekommt, wenn sie selbst abgeschoben werden. Den Kindern – die selbst häufig in den USA geboren sind und daher einen US-Pass besitzen – haben sie genaue Anweisungen gegeben, wohin sie gehen sollen, wenn Mama und Papa nicht nach Hause kommen.

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