Repression in der Volksrepublik: China entzieht allen Uiguren den Pass

Die Führung in Peking geht wieder schärfer gegen die uigurische Minderheit vor. Ursache der neuen Aktion ist vermutlich ein Aufruf Erdoğans.

Uigurische Frauen mit Kindern vor einer Hauswand

Uigurische Frauen in Keshgar Foto: reuters

PEKING taz | Offiziell gilt für Chinesen Reisefreiheit – sofern sie denn Pässe haben. Um unliebsame Bürger unter Druck zu setzen haben die Behörden auch in jüngerer Zeit die Pässe einfach nicht ausgestellt oder sie eingezogen. Nun wendet die chinesische Führung dieses Mittel auf eine ganze Bevölkerungsgruppe an.

Die Zentralregierung in Peking hat sämtliche 22 Millionen Einwohner der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang angewiesen, bis spätestens Mitte Februar ihre Pässe bei der örtlichen Polizei abzugeben. Konkret heißt das: Ausreiseverbot. „Wer es ablehnt, seinen Reisepass abzugeben, ist selbst verantwortlich dafür, wenn ihm die Ausreise verweigert wird“, heißt es in einer amtlichen Mitteilung. Diese Maßnahme diene einer „jährlichen Überprüfung“.

Eine nähere Begründung lieferte lediglich die Global Times, das Parteiorgan der kommunistischen Führung. Das Einsammeln der Dokumente folge auf eine Lockerung der Reisepasskontrolle 2015 und diene der „Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung“, zitiert die Zeitung einen ranghohen Beamten.

Wer bislang nicht kriminell war und sich auch sonst nicht „verdächtig“ gemacht habe, werde seinen Pass wieder zurückbekommen, betonte der Beamte. Die Definition von „verdächtig“ führte er allerdings nicht weiter aus.

China als Besatzungsmacht

Offiziell sind von der Maßnahme alle Einwohner Xinjiangs betroffen. Und doch liegt der Verdacht nahe, dass sie sich vor allem gegen Angehörige der turksprachigen, muslimischen Minderheit der Uiguren richtet. Seit Jahrzehnten kommt es in der Region immer wieder zu zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und den zugewanderten Han-Chinesen, die inzwischen die Mehrheit ausmachen.

Viele Uiguren betrachten China als Besatzungsmacht und fordern einen unabhängigen Staat. Sie befürchten, dass sie in ihrer Heimat von den Han-Chinesen verdrängt werden. Die chinesische Regierung wiederum betrachtet die uigurischen Unabhängigkeitsbefürworter als Terroristen.

22 Millionen Personen müssen bis Februar 2017 ihre Ausweise bei der Polizei abgegeben haben

Wegen einer Reihe von Anschlägen ist sie in den letzten Jahren wieder verstärkt gegen Uiguren im Allgemeinen vorgegangen. Sophie Richardson von Human Rights Watch kritisiert das Vorgehen als „eine Form kollektiver Bestrafung“. Sie werde in Xinjiang die Wut auf die chinesische Führung noch weiter entfachen.

Türkische Namen verdächtig

Die Konfiszierung der Pässe steht offensichtlich auch im Zusammenhang mit den jüngsten Spannungen zwischen China und der Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte im Sommer allen Uiguren auf der Flucht angeboten, ihnen in türkischen Botschaften in aller Welt Ersatzdokumente zur Weiterreise in die Türkei auszustellen. Dort würden sie dann richtige Pässe bekommen.

Diese Praxis sorgt in Peking für großen Unmut. Nicht nur türkische Staatsbürger haben seitdem Probleme, ein Visum für die Volksrepublik zu bekommen. Auch Deutsche und EU-Bürger mit türkischer Abstammung oder mit türkischen Namen haben neuerdings Schwierigkeiten bei der Einreise nach China.

Zwei Profispieler des Basketball-Bundesligisten Alba Berlin etwa durften Anfang Oktober nicht zu einem Freundschaftsspiel nach China reisen. Und selbst Deutsche mit Einreisestempeln im Pass von Türkei-Aufenthalten berichten, dass sie am Pekinger Flughafen von der Grenzkontrolle abgewiesen wurden und ausfliegen mussten. „Wir haben Kenntnis von Deutschen mit türkischem Namen oder türkischem Einreisestempel im Pass, denen die Visa-Erteilung oder die Einreise mit einem erteilten Visum willkürlich verweigert wurden“, bestätigte ein Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Peking.

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