piwik no script img

Repressionen gegen Medien in KirgistanEin weiterer Schlag

Mehrere Onlinemedien werden per Gerichtsbeschluss zu „extremistischen Organisationen“ erklärt, ihre Gründer bekommen Berufsverbot. Bald wird gewählt.

Unterzeichnete im August ein umstrittenes Mediengesetz: Sadyr Dschaparow, der Präsident von Kirgistan

Von

Barbara Oertel aus Berlin

„Extremistische Organisationen“ – das ist der Stempel, den ein Gericht in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek jetzt zwei unabhängigen Medien verpasst hat. Laut des Urteils vom vergangenen Montag, das jedoch erst am Dienstag öffentlich wurde, werden die Webseiten Kloop.kg, Temirow Live und AitAit Dese ab sofort verboten. Der Bannstrahl trifft auch ihre Gründer bzw. Betreiber. Wer aus dort veröffentlichten Materialien zitiert oder auf Inhalte verlinkt, muss zudem strafrechtliche Konsequenzen fürchten.

„Dies ist eine weitere Runde von Repressionen, die nicht nur uns betrifft, sondern auch dem Ansehen Kirgistans schadet und viele unbeteiligte Personen kriminalisiert“, schreibt der Mitbegründer von Kloop, Rinat Tuchwatschin in einem Post auf Telegram. Die Beklagten seien nicht vorab über den Fall informiert worden und hätten davon in den sozialen Medien erfahren. Tuchwatschin kündigte an, gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung gehen zu wollen.

Das Urteil, das erste seiner Art in der Geschichte des zentralasiatischen Staates, kommt nicht unerwartet. Die inkriminierten Onlinemedien und ihre Mit­ar­bei­te­r*in­nen stehen schon länger auf der Abschussliste der Behörden. Kloop.kg wurde 2007 von Jour­na­lis­t*in­nen gegründet und erlangte durch seine Berichterstattung 2010 große Bekanntheit.

In diesem Jahr kam es zu landesweiten Unruhen in Kirgistan, die den damaligen Präsidenten Kurmanbek Bakijew letztendlich das Amt kosteten und seine Regierung zu Fall brachten. In den vergangenen Jahren spezialisierte sich die Redaktion auf investigative Recherchen zu korrupten Machenschaften im engsten Umfeld des derzeitigen Staatschefs Sadyr Dschaparow. Im September 2023 wurde die Webseite von Kloop.kg in Kirgistan blockiert, fünf Monate später die Stiftung „Kloop Media“ abgewickelt. Seitdem agiert Kloop.kg vom Ausland aus.

Fünf Jahre Haft

Im vergangenen September wurden zwei frühere Video-Redakteure von Kloop.kg wegen Verbreitung von Falschinformationen und Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere ihrer Kollegen erhielten Bewährungsstrafen.

In ähnlich abgründigen Sphären der Staatsmacht wie Kloop.kg war auch Bolot Temirow mit seinem Medium Temirow Live samt dem YouTube-Kanal AitAit Dese unterwegs. Im November 2022 wurde er des Landes verwiesen, nachdem ein Gericht seinen kirgisischen Pass für ungültig erklärt hatte.

Knapp zwei Jahre später standen elf Mit­ar­bei­te­r*in­nen von Temirow Live wegen Aufrufs zu Massenunruhen vor Gericht. Auch am Ende dieses Prozesses wurden Haft- und Bewährungsstrafen verhängt. Eine der Beklagten, Temirow Ehefrau Machabat Taschibek, wurde zu sechs Jahren Strafkolonie verurteilt.

In einem Interview mit dem Webportal Nastojaschee vremja äußerte sich Temirow zu diesem Fall. Etwas Derartiges durchzumachen, wünsche er niemandem. „Doch das Urteil selbst ist im Prinzip kein Urteil über uns, sondern ein Urteil über die Machthaber. Denn sie haben ihre Masken abgenommen und kein moralisches oder gesetzliches Recht mehr zu behaupten, es gäbe Meinungsfreiheit oder Demokratie in Kirgisistan. Die heutige historische Entscheidung zeigt, dass Präsident Sadyr Dschaparow sich für den Weg zur Diktatur entschieden hat“, sagte Temirow.

Pflicht zur Registrierung

Diese Einschätzung bestätigte sich einmal mehr im vergangenen August. Da unterzeichnete Präsident Dschaparow ein umstrittenes Mediengesetz. Dieses verlangt, dass sich alle Medien bei den Behörden registrieren lassen müssen. Ausländische Kapitalanteile sind bei 35 Prozent gedeckelt.

Kri­ti­ke­r*in­nen sehen darin einen weiteren Versuch des Staatschefs, unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen und die Freiheit der Medien zu unterdrücken. Dazu passt dann auch, dass diesen für die Verbreitung von Falschinformationen Geldstrafen bis zu 65.000 Som (umgerechnet kann 640 Euro) drohen.

Der vorliegende Schlag dürfte nicht die letzte Aktion gewesen sein, um Medien immer stärker unter Druck zu setzen. Laut des aktuellen Index für Pressefreiheit der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RGO) nimmt Kirgistan den 144 von insgesamt 180 Plätzen ein – ein Abstieg um 52 Plätze in der Zeit zwischen 2022 und 2025.

Dabei hatte das Land lange Zeit, trotz zahlreicher Transformationsschwierigkeiten, als demokratischstes Land in der Region gegolten. Doch seit dem Machtantritt von Staatschef Dschaparow im Jahr 2020 scheint es damit offensichtlich vorbei zu sein. Der Sieben-Millionen-Einwohner*innenstaat entwickelt sich stetig weiter in Richtung Autokratie.

Für den 30. November 2025 sind vorgezogene Parlamentswahlen angesetzt. Von ihnen erhofft sich Dschaparow eine Verbreiterung seiner Machtbasis im Parlament. Er selbst setzt auf seine Wiederwahl 2026 – für oppositionell Gesinnte eher eine unerfreuliche Aussicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare