Repressionswelle in Nicaragua: Verhaftungen und Entlassungen

In Nicaragua lässt die Regierung von Daniel Ortega Regierungsgegner und Intellektuelle verhaften oder verschleppen. Ärzte werden entlassen.

Eine übertrieben stark geschminkte Frau und ein mit einer Horrorfratze bemalter Mann marschieren bei einer Demonstration mit nicaraguanischen Fahrnen

Nicaraguas Präsidentenpaar Rosario Murillo und Daniel Ortega als Zombies bei einer Demonstration in León am Wochenende Foto: rtr

WIEN taz | In Nicaragua gehen die Behörden seit einigen Tagen mit selektiver Repression gegen Oppositionelle vor. Der bekannte Soziologe Óscar René Vargas wartet seit Tagen auf seine Festnahme. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl ausgestellt, nachdem er Daniel Ortega mit dem chilenischen Diktator Pinochet verglich.

Der Fernsehjournalist Roberto Urbina wurde am Samstag in Granada während einer Demonstration von Maskierten verschleppt und wurde Stunden später von der Polizei schwer misshandelt am Straßenrand abgelegt.

Eine Welle von Entlassungen in öffentlichen Krankenhäusern hat Gesundheitspersonal getroffen, das während der Proteste die Anordnung missachtet hatte, Verletzte nicht zu behandeln. Laut dem Online-TV 100% Noticias bekamen am Wochenende mindestens 50 Krankenhausangestellte den Entlassungsbrief. Andere Medien sprechen von über 80. Spezialisten wurden außerdem ins Militärkrankenaus von Managua abgezogen.

„Der Staat versagt in seiner Verpflichtung, die Gesundheit zu garantieren. In Nicaragua fehlen Ärzte“, so der ­Chirurg Alejandro Lagos, der zwei Krankenhäuser leitete, bis er via Facebook Verletzten seine Dienste anbot. Die Tageszeitung La Prensa zitiert den Mediziner: „Jetzt feuern wir auch noch diese schlecht bezahlten Ärzte, die unter prekären Bedingungen arbeiten.“ Die Entlassenen sollen jetzt durch kubanische Medizinstudenten ersetzt werden. Die haben militärische Ausbildung und werden als politisch zuverlässig betrachtet.

De Paramilitärs sollen jetzt in die Polizei integriert werden

In Nicaragua tobt seit Mitte April ein Aufstand gegen den autoritär regierenden Präsidenten Daniel Ortega und dessen Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo. Laut der Menschenrechtsorganisation ANPDH hat der Konflikt bis zum Wochenende 448 Todesopfer gefordert, die meisten aufseiten der Opposition.

Ortega hat in einem am Montag ausgestrahlten Interview mit CNN 195 Tote zugegeben, darunter etwa 20 Polizisten. Erstmals zeigte er auch eine gewisse Bereitschaft, die regulär 2021 fälligen Wahlen vorzuverlegen: „Wenn es das Volk wünscht, warum nicht?“

Die paramilitärischen Trupps, die sich an der Repression beteiligen, seien Stoßtrupps der Opposition, hatte Ortega in einem Interview mit Fox News behauptet. „Wieso gehen dann Polizei und Armee nicht gegen sie vor?“, fragt sich Humberto Ortega, Bruder des Präsidenten und langjähriger Verteidigungsminister der Revolution. Er ruft zur Entwaffnung dieser Gruppen auf: „Die Regierung darf diese irregulären bewaffneten Gruppen nicht legitimieren, und die Armee kann diese Situation nicht zulassen.“

Tatsächlich passiert aber das Gegenteil dessen, was Humberto Ortega fordert: Rund 2.000 dieser aus Armeeveteranen, Kriminellen und militärisch ausgebildeten Kadern der Sandinistischen Jugend zusammengesetzten Trupps, die für viele der Todesopfer verantwortlich sind, sollen jetzt in die Polizei integriert werden.

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