Resozialisierung von Gefangenen: Häftlinge fordern mehr Wächter

Gefangene in Tegel wollen ein Volksbegehren starten. Sie fordern mehr Personal, vor allem mehr Sozialarbeiter und Psychologen.

Ein seltenes Exemplar: Gefängniswächter. Bild: ap

BERLIN taz | Straftäter im Gefängnis Tegel fordern bessere Betreuung. Knapp 600 Inhaftierte haben eine Petition an Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) unterschrieben, in der es heißt: „Verwahren Sie uns nicht nur, sondern bitte helfen Sie uns! Bitte sorgen Sie für ausreichend Wärter, Sozialarbeiter und Psychologen.“

Derzeit bereiten die Häftlinge auch ein Volksbegehren vor, wie die von den Inhaftierten herausgegebene Zeitung Lichtblick am Mittwoch meldete. Das Volksbegehren soll den Titel haben: „Kriminalprävention stärken, Opfer vermeiden!“

„Wir haben alle etwas falsch gemacht, sonst wären wir hier nicht gelandet“, sagt ein Häftling, der die Petition unterschrieben hat und der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Man hat uns in dieses Haus gepfercht, damit jeder einen Veränderungsprozess mitmacht, damit er lernt, dass er ein Leben ohne Kriminalität leben kann.“

Viele Gefangene würden einen Sozialarbeiter allerdings nur acht- bis zehnmal im Jahr für eine halbe Stunde sehen. „Wir werden einfach nur verwahrt und weggesperrt. Das kann nicht der Sinn sein, weil so die Leute rückfällig werden“, sagt der Häftling. Derzeit komme ein Sozialarbeiter auf 90 Inhaftierte und nur ein Psychologe auf über 800 Gefangene. Auch an einfachen Wächtern fehle es. Dadurch seien die Gefangenen gerade am Wochenende zu lange in ihren Zellen eingesperrt.

Derzeit werde an den genauen Forderungen für das Volksbegehren gefeilt, sagt der Häftling. Ihm sei bewusst, dass es schwer werde, aus dem Gefängnis heraus 170.000 Unterschriften zu sammeln: „Wir wissen, dass wir keine Lobby haben.“ Derzeit würden mehr als die Hälfte der Inhaftierten rückfällig, es müsse eigentlich im Interesse aller Bürger sein, das zu ändern. Vielleicht sorge schon die Petition dafür, dass sich etwas verbessere.

Hoher Krankenstand

„Es hat Engpässe gegeben in den vergangenen Wochen und Monaten in der Justizvollzugsanstalt Tegel“, sagt Lisa Jani, Sprecherin von Justizsenator Heilmann. Ursache dafür sei unter anderem die Eröffnung des neuen Gefängnisses Heidering südlich von Berlin. Das Personal, um das Gefängnis in Betrieb zu nehmen, wurde von anderen Gefängnissen abgezogen. Der Umzug der Häftlinge verzögerte sich, unter anderem weil es Probleme am Bau gab. Derzeit kämen in Tegel trotzdem immer noch 697 Bedienstete auf 924 Häftlinge – mehr als in so manchem anderen Bundesland.

„Insgesamt haben wir eine ausreichende Ausstattung im Berliner Justizvollzug“, sagt Jani. Nur in Tegel gebe es gerade befristet „einen Umbruch“, auch durch die Schließung einer Teilanstalt. Senator Heilmann bekenne sich dazu, dass die Häftlinge die Behandlung bekämen, die sie zur Resozialisierung benötigen. Über die genaue Höhe des Personalbudgets berät derzeit das Abgeordnetenhaus.

„Die Gefangenen haben recht“, meint hingegen Dirk Behrendt, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „In Heidering sind 278 Gefangene und dafür zu viel Personal“, das fehle dann in Tegel. „Die Hoffnung ist, dass sich das jetzt langsam wieder einpendelt“, sagt Behrendt. Aber bei einigen Berufsgruppen gebe es ein grundsätzliches Problem, „wenn Psychologenstellen in Moabit über Monate und Jahre nicht besetzt werden können, weil viel zu wenige bereit sind, im Knast zu arbeiten.“ Die Justiz werde sich „grundsätzlich Gedanken machen müssen, wie sie das löst“. Und bei den Sozialpädagogen sei der Krankenstand überdurchschnittlich hoch.

Derzeit bereitet die Koalition ein neues Strafvollzugsgesetz vor. Erol Özkaraca, Sprecher für Strafvollzug der SPD-Fraktion, sagt: „Wir möchten dort festschreiben, dass auf Diagnostik und Therapie von Gewalttätern ein besonderer Schwerpunkt gelegt werden muss.“

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