Revolution in Ägypten: Neue Verfassung ist auf dem Weg

Der ägyptische Militärrat hat ein Komitee ernannt, das eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Unterdessen sollen die europäsischen Konten des alten Regimes gesperrt werden.

Das vom Militärrat ernannte Komitee arbeitet an einer Übergangsverfassung, die Ägypter warten ab. Bild: reuters

KAIRO/BRÜSSEL dapd/dpa | Der ägyptische Militärrat hat die Mitglieder eines Komitees ernannt, das bereits ankündigte eine Übergangsverfassung zu schaffen. Der neue Vertrag werde nur so lange gelten, bis ein demokratisches System etabliert sei, sagte ein Mitglied des mit den Verfassungsänderungen beauftragten Ausschusses, der Rechtsexperte und Mitglied der Muslimbruderschaft Sobhi Saleh, am Dienstag in Kairo.

Neben Salih gehören dem Komitee zehn weitere Juristen an. Keiner von ihnen gehört zu denen, die von Präsident Husni Mubarak kurz vor seinem Abgang mit der Überarbeitung der Verfassung betraut worden waren. Geleitet werden soll das Gremium von dem früheren Richter Tarek al-Bischri.

Der Militärrat leitet die Geschicke Ägypten seit der Entmachtung Mubaraks Ende vergangener Woche. Der Rat hatte am Sonntag das Parlament aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Damit kamen die Generäle zwei wichtigen Forderungen der Protestbewegung nach. Die Streitkräfte sollen das Land für sechs Monate führen, sollten nicht vorher Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten werden. Die noch vom gestürzten Präsidenten Husni Mubarak ernannte Übergangsregierung unter Ministerpräsident Ahmed Schafik bleibt unterdessen weiter im Amt.

Kernpunkte der Verfassungsreform sind die Voraussetzungen für eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl, eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten und die Überwachung der Wahlen durch die Justiz. Noch unklar ist, ob künftig auch internationale Wahlbeobachter zugelassen werden sollen und ob die Bedingungen für die Zulassung neuer Parteien geändert werden.

Die Demonstranten, die mit ihren Massenprotesten den Sturz des Präsidenten herbeigeführt hatten, fordern außerdem ein Ende des seit 1981 geltenden Ausnahmezustandes sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen. Die Zahl der "Gesinnungshäftlinge", unter denen viele Islamisten sind, wird auf 10.000 geschätzt.

Sperrung der Konten des alten Regimes

Ägypten hat Deutschland um die Sperrung der Konten von führenden Mitgliedern des gestürzten Regimes gebeten. "Es gibt ein Rechtshilfeersuchen der ägyptischen Regierung an mehrere Mitgliedsstaaten - auch an uns", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel. "Wir prüfen das. Das wird kurzfristig auch entschieden werden."

Frankreichs Ressortchefin Christine Lagarde hatte am Vortag bestätigt, dass eine Anfrage an mehrere EU-Länder, darunter auch Frankreich, gegangen ist. Großbritannien prüft nach eigenen Angaben bereits, ob Konten von hochrangigen Regimevertretern eingefroren werden können.

Sechs Tote bei Bandenkriegen

Vier Tage nach dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak bleibt das Land unruhig. Bei Zusammenstößen mit aus den Gefängnissen entlaufenen Kriminellen wurden an drei verschiedenen Orten insgesamt sechs Menschen getötet und 80 weitere verletzt. Das berichtete die Tageszeitung "Al-Masri al-Youm" am Dienstag.

Das Regime hatte Ende Januar, auf dem Höhepunkt der Unruhen und Proteste, die zur Abdankung Mubaraks führten, die Gefängnisse geöffnet. Tausende Insassen, unter ihnen verurteilte Mörder und Diebe, waren dabei entkommen.

Allein in der nördlichen Hafenstadt Port Said seien vier Kriminelle bei Bandenkriegen ums Leben gekommen, heißt es in dem Zeitungsbericht. 65 weitere Bandenmitglieder wurden bei den Kämpfen in der Innenstadt verletzt. Die Lage war so chaotisch, dass der Gouverneur der Provinz Said, Mustafa Abdel-Latif, seinen Amtssitz provisorisch in eine Feriensiedlung außerhalb der Stadt verlegte. Zudem forderte er die Armee an, um gegen die Unruhen einzuschreiten.

In der oberägyptischen Stadt Minia wurden zwei Kriminelle getötet und elf weitere verletzt, als sie mit der Polizei in der Stadt zusammenstießen. Die Banden hatten versucht, das städtische Gefängnis zu stürmen und die Gefangenen zu befreien. In Beni Sueif, 150 Kilometer südlich von Kairo, plünderten Kriminelle ein Lagerhaus und setzten es in Brand. Nach einem Feuergefecht nahm die Polizei fünf Plünderer fest.

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