„Rheingold“ im Kino und auf TikTok: Wie ein Siegtor in der 95. Minute

Das Xatar-Biopic „Rheingold“ von Regisseur Fatih Akın begeistert vor allem auch migrantische Jugendliche. Sie definieren das Kinoerlebnis neu.

Emilio Sakraya, Fatih Akin und Giwar Hajabi posieren zum Foto

Emilio Sakraya (links) spielt Xatar / Giwar Hajabi (rechts) in Fatih Akıns (Mitte) Film „Rheingold“ Foto: Robert Schmiegelt/imago

Nur eine Tür mit der Aufschrift Kino 2 trennt zwei Gruppen voneinander, die heiß aufeinander sind.

Auf der einen Seite wuseln junge Menschen durch den Kinosaal, viele von ihnen unter 18, die meisten mit Eltern oder Großeltern, die nicht in Deutschland geboren sind. Sie sind unruhig, aufgekratzt, nervös, aber positiv. Gleich werden ihre Helden vor die Leinwand treten.

Auf der anderen Seite der Tür, in einem ungemütlichen Treppenhaus Parkhaus-Style steht der Regisseur Fatih Akın an einem Stehtisch mit Nachos und Softdrinkbechern. Auch dabei: Xatar und seine Freunde. Zum Mythos des Rappers gehören ein Goldraub und ein in Haft aufgenommenes Album. Akın hat Xatars Leben verfilmt: Das Biopic „Rheingold“ steht in der zweiten Woche auf Platz 1 der deutschen Kinocharts.

Seit der Film läuft, verbreiten junge Menschen Clips auf Tiktok und Instagram, in denen sie den Titelsong „Mama war der Mann im Haus“ singen oder auf der Saz spielen, andere dokumentieren den Kinobesuch. Schon vergangene Woche hat sich der Besuch im Cineplex Alhambra im Berliner Wedding angefühlt wie eine Party: laute Gespräche, so dass mancher filmische Dialog unterging, laufend Kommende und Gehende, Sprüche und Applaus.

An diesem Abend telefoniert Xatar hinter der Tür, geht die Treppen hoch und kommt dann wieder runter, er grüßt, dann filmt er Akın, während der Regisseur wild gestikulierend vom kollektiven Kinoerlebnis schwärmt. Auch hier ist die Stimmung: unruhig, aufgekratzt, nervös, aber positiv.

Die Stimmung, die man sonst aus Stadien oder Rapkonzerten kennt, erklärt sich Akın damit, dass der Film wohl einen Nerv getroffen habe. Aber was ist dieser Nerv? „Ich weiß nicht genau, irgendwie fühlen die sich alle angesprochen, weißt du, vielleicht sind das so Flüchtlingsgeschichten, vielleicht sind deren Eltern aus ähnlichen Gründen nach Deutschland gekommen wie die im Film, weißt du, und selbst wenn sie als Gastarbeiter oder Wirtschaftsleute gekommen sind, sie waren, als sie herkamen, bei zero, haben bei null angefangen, sich neu orientiert. Ich glaube, die Kids sehen die Geschichten ihrer Eltern und teilweise ihre eigene Geschichte.“

Die Tür mit der Aufschrift Kino 2 geht auf. Eine Frau ruft erst Akın rein, dann Xatar. Jubel wie bei einem Siegtor in der 95. Minute oder dem signature track des Lieblingsrappers. Auf der Bühne fragt Xatar, wer sich den Film schon zum zweiten Mal anschaue.

Viele Hände.

Er fragt, wer gar nicht so oft ins Kino gehe.

Wieder viele Hände.

Die beiden Gruppen, die heiß aufeinander sind, sind jetzt vereint.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.