Richtungskampf in der AfD: Angriff auf die „Mitte“

In der AfD gerät die moderate Strömung „Alternative Mitte“ unter Beschuss. In Thüringen wird der Chef abgemahnt, in Hessen drohen Sanktionen.

Ein Mann, Bernd Höcke

Offenbar kein großer Fan der „Alternativen Mitte“: Björn Höcke Foto: dpa

BERLIN taz | Am Mittwochabend erreichte Helmut Witter das Schreiben des Thüringer AfD-Landesvorstands um Björn Höcke. Es gebe ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn, heißt es dort. Witter habe sich zuletzt mit mehreren Aussagen parteischädigend verhalten. Fälschlich habe er behauptet, Gründungsmitglied der AfD oder aus einer Whatsapp-Gruppe der Partei geworfen worden zu sein. Man beantrage eine Abmahnung.

„Alles an den Haaren herbeigezogen“, sagt Witter tags darauf. Seit 2013 ist der 69-Jährige in der AfD und Sprecher der Partei im Kreisverband Südthüringen. Dem Landesvorstand gehe es um etwas anderes, ist Witter überzeugt: um die Gründung des Thüringer Ablegers der „Alternativen Mitte“, dem Witter vorsteht.

Anfang Oktober hatten moderate Kräfte in der AfD die Strömung bundesweit ins Leben gerufen – als Gegengewicht zum weit rechten Pendant „Der Flügel“ um den Rechtsaußen Höcke. In Thüringen hatte sich der Verband schon Anfang September formiert. Man wolle einen „bürgerlich-konservativen“ Kurs in der Partei stärken, sagt Witter. 22 Mitglieder zähle die Vereinigung in Thüringen bisher. „Wir wachsen.“

Mit der Abmahnung schlägt nun offenbar das Höcke-Lager, das in Thüringen die Macht fest in der Hand hält, zurück. Laut Witter ist inzwischen auch eine Mitgliederversammlung seines Kreisverbands einberufen, um ihn abzuwählen. Torben Braga, Mitglied des Landesvorstands, bestreitet einen Angriff auf die Moderaten. Der Zusammenhang sei „konstruiert“. „Das Engagement von Herrn Witter in der ‚Alternativen Mitte‘ spielt überhaupt keine Rolle. Es geht schlicht um falsche Tatsachen, die er verbreitet“. Der Landesvorstand, behauptet Braga, habe nichts dagegen, dass sich die „Alternative Mitte“ in Thüringen organisiere.

Bei den wenigen AfD-Moderaten in Thüringen sieht man das freilich anders – und das Vorgehen gegen Witter als erneute Attacke gegen das eigene Lager. Dort herrscht schon länger Frust. Im Juli war Steffi Brönner, damals Stellvertreterin von Höcke, mit der Kritik zurückgetreten, die Partei entwickele sich stetig zum Rechtsextremen hin. Andere kritisieren, es gehe undemokratisch im Landesverband zu. Alles werde von Höcke gesteuert, ein inhaltlicher Diskurs nicht zugelassen.

Scharfe Töne auch in Hessen

Tatsächlich spitzt sich seit der Gründung der „Alternativen Mitte“ der Richtungsstreit in der AfD wieder zu. Der hessische AfD-Landesvorstand kündigte jüngst an, die „Alternative Mitte“ nicht zu dulden und Maßnahmen gegen Parteimitglieder zu verhängen. Der Zusammenschluss sei satzungswidrig und spalte die Partei. Tief entzweit ist die Partei auch in der Frage eines Parteiausschlusses für Höcke: die Moderaten sind schwer dafür – der „Flügel“, der sich bereits 2015 gründete, ist selbstverständlich dagegen.

Der Streit droht auch die gerade erst konstituierte Bundestagsfraktion der AfD zu spalten. In den ersten Tagen war man betont um Einigkeit bemüht. Auch in der Fraktion sind allerdings Abgeordnete beider Strömungen vertreten – deren Zusammenarbeit bei einer weiteren Zuspitzung des Konflikts infrage steht.

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