Rohingya-Reporter seit einem Jahr in Haft: Journalismus ist kein Verbrechen

Seit einem Jahr sind Wa Lone und Kyaw Soe Oo in Myanmar wegen „Geheimnisverrat“ in Haft. Sie hatten Massaker an den Rohingya aufgedeckt.

Journalisten Wa Lone, 32, and Kyaw Soe Oo, 28.

Die Reuters-Journalisten Wa Lone Wa Lone, 32, and Kyaw Soe Oo, 28 am 20. August in Myanamar. Foto: reuters

YANGON taz | Wie jedes Jahr hat das Time Magazin die „Person of the Year“ bekanntgegeben. Diesmal allerdings wurde nicht eine Einzelperson, sondern eine Gruppe ausgezeichnet, „The Guardians“ genannt. Zu den so geehrten JournalistInnen gehört der in der saudi-arabischen Botschaft in Istanbul ermordete Jamal Khashoggi – sowie die beiden Reporter von Reuters, Wa Lone und Kyaw Soe Oo.

„Ich wurde verhaftet“, lautete die SMS, die Wa Lone seinem Chef Antoni Slodkowski vor einem Jahr, am 12. Dezember 2017, hastig schrieb. Es sollte sein letzter Tag in Freiheit gewesen sein. Anfang September wurden der 32-jährige und sein 28-jähriger Kollege Kyaw Soe Oo nach einem monatelangen Prozess dann zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Den beiden wird Geheimnisverrat vorgeworfen. Sie hatten zuvor im Krisenstaat Rakhine, einer Verwaltungseinheit von Myanmar, recherchiert. Dort trieb eine sogenannte Sicherheitsoperation des Militärs gegen Rohingya im vergangenen Sommer mehr als 700.000 Mitglieder der muslimischen Minderheit über die Grenze nach Bangladesch. Laut UNO wurden dabei 10.000 getötet.

Mit einem der Massaker, bei dem zehn Rohingya-Männer ermordet wurden, hatten Wa Lone und Kyaw Soe Oo sich genauer beschäftigt. Ihnen gelang, was sonst noch niemand geschafft hatte: Sie fanden geständige Täter. Damit brachten sie Militär und Regierung in Verlegenheit, die zunächst alles geleugnet hatten.

Von wegen Hoffnungsträgerin

Der Fall sorgte international für Schlagzeilen und gilt als Beweis dafür, dass die Regierung von Hoffnungsträgerin Aung San Suu Kyi sich mehr dem Militär der ehemaligen Diktatur als demokratischen Werten verpflichtet fühlt. Suu Kyi hat das Urteil mehrfach verteidigt. Zum Jahrestag der Verhaftung soll am Mittwoch in einem Park in Myanmars größter Stadt Yangon ein Protest stattfinden. „Wir haben sie nicht vergessen. Sie sind politische Gefangene unseres Landes“, sagte Tha Lun Zaung Htet vom Protection Committee for Myanmar Journalists.

Die Titelseite des Time-Magazins

Foto: reuters

Nicht jeder sieht das so. In den sozialen Medien werden Wa Lone und Kyaw Soe Oo als Landesverräter bezeichnet. Einheimische Journalisten geben zu, von dem Urteil eingeschüchtert worden zu sein.

Das Urteil wurde von Regierungen weltweit, Menschen-rechtsorganisationen und von der UNO als nicht akzeptabel verurteilt. Ein Polizist, der aussagte, die Polizei hätte Anweisung erhalten die beiden Reporter in eine Falle zu locken, wurde wenig später selbst zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

„Die Regierung fürchtet und misstraut den Medien und versucht stattdessen, sie gewaltsam zu kontrollieren. Auf Menschenrechte wird keine Rücksicht genommen. Dieser Fall ist ein Affront gegen die Rechtsstaatlichkeit in Myanmar“, sagt Matthew Smith von der in Thailand ansässigen Menschenrechtsorganisation Fortify Rights.

UNO spricht von Völkermord

Am 24. Dezember soll das Berufungsverfahren beginnen. Diese Woche wurden die Journalisten mit dem British Journalism Award ausgezeichnet. „Es gab so viele Geschichten über das Leiden der Rohingya, aber diese Geschichte hat uns wirklich gezeigt, wovor sie geflohen sind. Die Verhaftung von Wa Lone und Kyaw Soe Oo erinnert daran, welchen Preis Journalisten dafür bezahlen müssen in heiklen Regionen zu recherchieren oder unbequeme Wahrheiten zu erzählen“, so die Jury.

Die UNO bezichtigt Myanmars Militär, sich eines Völkermords schuldig gemacht zu haben. „Journalismus ist kein Verbrechen, aber Völkermord ist eines und gehört von einem unabhängigen internationalen Gericht untersucht“, sagte Matthew Smith von Fortify Rights. Einen Monat nach der Verhaftung von Wa Lone und Kyaw Soe Oo gab das Militär zu, dass die zehn Rohingya-Männer tatsächlich umgebracht worden seien. Aus Notwehr gegen Terroristen.

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