Rot-Grün in den Niederlanden: Klaver folgt auf Timmermans
Nach der Wahl-Schlappe macht sich das rot-grüne Bündnis mit dem neuen Vorsitzenden Jesse Klaver bereit für mögliche Regierungsverhandlungen.
Das rot-grüne Bündnis aus Partij van de Arbeid (PvdA) und GroenLinks, das bei den Parlamentswahlen letzte Woche große Verluste verzeichnete, hat eine neue Spitze: Jesse Klaver wird künftig nicht nur die Fraktion im Parlament leiten, sondern auch Chef der gemeinsamen Partei. Deren Fusion soll 2026 vollzogen werden.
Klaver, 39, der beide Funktionen seit 2015 bei GroenLinks innehatte, folgt dem ehemaligen EU-Kommissar Frans Timmermans. Der Sozialdemokrat war letzten Mittwoch nach Bekanntwerden der Ergebnisse zurückgetreten. Bei den Parlamentswahlen verlor das Bündnis 5 seiner 25 Sitze.
Während Timmermans, 2023 als Galionsfigur eines neuen linken Aufbruchs aus Brüssel zurückgekommen, „einen Schritt zurück“ ankündigte, knüpfte Klaver nach der Fraktionssitzung Montagmorgen daran an: „Manchmal muss man auch einen Schritt nach vorne machen, wenn die Situation das erfordert. Das habe ich heute getan.“
Dass er Timmermans folgt, war weithin erwartet worden. Am Wochenende hatte die aussichtsreiche Sozialdemokratin Marjolein Moorman erklärt, Klaver sei „die logische und weitaus beste Wahl“.
Klaver ist einer der Architekten der Parteifusion
Klaver ist neben Timmermans einer der Architekten der geplanten Fusion von Grünen und Sozialdemokraten. Angesichts des kontinuierlichen Rechtsrucks in den Niederlanden seit dem Millenium löste das Projekt, begonnen mit gemeinsamen Wahllisten, Programmen und Fraktionen zunächst großen Enthusiasmus aus.
Timmermans sah darin einen unausweichlichen Schritt, um die rechte Dominanz im politischen Diskurs zu durchbrechen. Beim Kongress der europäischen sozialdemokratischen Parteien in Amsterdam im Oktober regte er gar an, der Zusammenschluss könne auf EU-Ebene ein Vorbild sein.
Das Wahlergebnis zieht dieses Konzept jedoch in Zweifel. Seit ihrem Antreten als Bündnis gelang es Rot-Grün nicht, ein nennenswertes Momentum zu kreieren. Auf die jüngsten Neuwahlen setzte man große Hoffnungen: Nach der chaotischen Erfahrung der Rechtskoalition sollte die Zeit reif für einen linken Umschwung sein.
Einmal mehr allerdings stand am Ende die Erkenntnis, dass der Resonanzraum der Themen Umverteilung und Klima in den Niederlanden begrenzt ist. Stattdessen liefen progressive Wähler:innen in Scharen zur liberalen D66 über.
Bei den am Dienstag beginnenden Verhandlungen über eine neue Koalition kann GroenLinks-PvdA dennoch eine Rolle spielen. Wahlsiegerin D66 ist ebenso unabdinglich wie die Christdemokrat*innen (CDA). Zusammen kommen sie allerdings nur auf 44 der 150 Sitze, für eine Mehrheit sind 76 nötig. Für die restlichen 32 braucht es also mindestens zwei weitere Parteien.
Klaver hat schon Erfahrungen als Koalitionsverhandler
Eine eher rechte Variante führt über die Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), die mit dem heutigen Nato-Generalsekretär Mark Rutte bis 2024 den Premier stellte. Für eine eher linke kommt Rot-Grün ins Bild. D66-Chef Rob Jetten nannte dies nach der Wahl eine „logische Option“. Allerdings wäre es ein überaus komplexes Puzzle, um so auf die benötigte Sitzanzahl zu kommen.
Eine dritte Option, die sowohl VVD als auch GroenLinks-PvdA miteinbeziehen würde, gilt bislang als unwahrscheinlich. Die inhaltlichen Unterschiede sind erheblich, zudem hat VVD-Chefin Dilan Yeşilgöz diese Variante ausgeschlossen. Inwieweit die Konstellation nach dem Rücktritt Timmermans in Bewegung gerät, wird sich ab Dienstag zeigen.
Wahlsiegerin D66, die wie die rechtspopulistische PVV 26 Sitze, aber mehr Stimmen hat, wird dann ein*e Verhandler*in ernennen, um die möglichen Optionen auszuloten. Dass Klaver entsprechende Erfahrung hat, sieht man im rot-grünen Lager als Vorteil. 2017 vertrat er GroenLinks in den letztendlich gescheiterten Verhandlungen – mit den gleichen Parteien.
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