Rot-Schwarzes Personal: Ein bisschen Bildung schadet nie

Die designierte Senatorin für Wissenschaft, Bildung und Jugend bekommt Vorschusslorbeeren von Jugend- und Familienpolitikern. Bildungsexperten und Wissenschaftler sind hingegen von der Ernennung von Sandra Scheeres enttäuscht - oder erhoffen sich leichtes Spiel mit ihr.

Sandra Scheeres (SPD), die designierte Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Bild: DPA

Fachkundig und durchsetzungsfähig sei sie, sagen die einen. Bei anderen ist zu hören: unscheinbar, ahnungslos. Die Rede aber ist von ein und derselben Frau: der designierten Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, Sandra Scheeres (41). Was die einen und die anderen trennt, ist ihr Standpunkt: Während Jugend- und Familienpolitiker gegenüber der taz viel Lob für ihre bisherige Kollegin im Abgeordnetenhaus finden, fehlt Bildungs- und Wissenschaftsexperten das Fachwissen auf diesem Themengebiet. Teilweise schimmert die Hoffnung durch, daraus Kapital zu schlagen.

Der neue und alte Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte Scheeres, Pädagogin, SPD-Abgeordnete und Mutter zweier Kinder, am Montag als künftige Senatorin vorgestellt. Wie die anderen sieben Senatorinnen und Senatoren soll Scheeres, die früher kurzzeitig in Düsseldorf im Kommunalparlament saß, 2000 nach Berlin kam und ihren Wahlkreis im Bezirk Pankow hat, am heutigen Mittwoch von Wowereit ernannt werden. Am Donnerstag folgt ihre Vereidigung durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses.

"Ich habe sie als eine fachkundige, gut strukturierte und durchsetzungsfähige Frau kennengelernt", sagt die Grünen-Politikerin Elfi Jantzen, lange die führende Kita-Expertin im Abgeordnetenhaus und seit Kurzem Stadträtin für Jugend, Familie und Schule in Charlottenburg-Wilmersorf. Scheeres habe viel dazu beigetragen, dass Veränderungen im Jugendbereich überhaupt in Gang gekommen seien. "Ich finde es gut, wenn jetzt jemand Kompetenz aus der Jugendpolitik in die Führung des Ressorts bringt", sagt Jantzen.

Unter dem bisherigen Senator Jürgen Zöllner (66, ebenfalls SPD) stand Jugend klar im Schatten der Bereiche Bildung und Wissenschaft. "Jugend" erschien nicht einmal im Namen des Großressorts, zu dem bislang auch Forschung gehörte.

Auch für CDU-Familienpolitikerin Emine Demirbüken-Wegner war Scheeres bislang "eine kompetente Kollegin". Zum fehlenden Fachwissen im Feld der Wissenschaft meinte Demirbüken-Wegner: "Ich denke mir, dass sie sich mit ihrem Fleiß auch dort einarbeiten wird."

Demirbüken-Wegners CDU-Kollegen reagierten am Montagabend bei einem kleinen Parteitag allerdings eher mit Kopfschütteln, nachdem der Name Scheeres bekannt geworden war. Offene Kritik an der Personalauswahl des Koalitionspartners aber mochte dann doch keiner üben.

Klarer konnte da Mieke Senftleben sein, mehr als zehn Jahre herausragende Bildungspolitikerin im Abgeordnetenhaus und für die FDP-Fraktion auch für Familie zuständig. "Ich bin sehr enttäuscht", sagte sie der taz über Scheeres Ernennung. Unscheinbar habe diese agiert. "Sie hat sich erstmals engagiert, als es darum ging, Zöllner davon zu überzeugen, dass es zu wenig Kita-Plätze gibt", sagt Senftleben über Scheeres, die 2006 erstmals ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde.

Natürlich sei eine Jugendpolitikerin geeignet, die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe auszubauen. "Wo es aber richtig brennt, das sind Bildung und Wissenschaft", sagt Senftleben. Ihr ist schleierhaft, wie Scheeres Widerstände in ihrer mehr als tausendköpfigen Senatsverwaltung brechen will. "Das hat selbst einem erfahrenen Mann wie Zöllner letztlich das Genick gebrochen."

Eine strukturelle Veränderung im Haus kann Scheeres die Aufgabe allerdings erleichtern: Anders als bislang wird es offenbar in ihrer künftigen Senatsverwaltung drei Staatssekretäre geben. Zöllner musste mit zwei auskommen und zudem den Bereich Forschung abdecken, der künftig zum Ressort Wirtschaft und Technologie gehört. Scheeres sollte angeblich ursprünglich einen dieser drei Posten übernehmen, musste dann aber aufrücken, weil Wowereit keine andere Frau für den Senatorenposten fand.

Seine SPD-Fraktion hatte der Regierende mit seiner Entscheidung komplett überrascht. "Das war eine Überraschung wie an Weihnachten", sagt ein Abgeordneter - und ließ dabei offen, ob er mit dieser Bescherung zufrieden ist. SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz erlebte Scheeres bislang regelmäßig als Vorsitzende des Fraktionsarbeitskreises für Gesundheit, Umwelt, Verbraucherschutz. "Das hat sie wirklich gut gemacht", sagte er.

In der SPD ist aber auch von großen Schuhen ihres Vorgängers Zöllner zu hören, die Scheeres nun ausfüllen müsse. "Mit dieser Entscheidung haben wir in Neukölln nicht gerechnet", erklärte die dortige Schulstadträtin Franziska Giffey (SPD), die selbst als Kandidatin für den Senatsposten gehandelt wurde. "Sehr verhalten" seien die Reaktionen derer, die im Schulbereich tätig sind. "Es ist sicher einfacher, wenn man schon Erfahrungen aus dem Schul- und Wissenschaftsbereich mitbringt", so Giffey.

Führende Köpfe aus ebendiesem Wissenschaftsbereich hatten Scheeres ebenfalls nicht auf dem Zettel. "Man könnte es als ein Problem für den Wissenschaftsbereich deuten, dass nun eine Jugendpolitikerin Senatorin wird", sagt etwa Jörg Steinbach, Präsident der Technischen Universität. "Aber wir werden frühzeitig auf sie zugehen, um sie als Maklerin unserer Interessen zu gewinnen." Auch sein Kollege von der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, ist zuversichtlich: Scheeres bringe als Quereinsteigerin "Frische in die Politik, die nötig ist."

Durchaus gönnerisch ließ sich die Reaktion von Peter-André Alt verstehen, Präsident der Freien Universität: "Wir stehen bereit, um Frau Scheeres zu unterstützen, damit sie sich in der schwierigen Materie der Hochschulpolitik zurechtfindet."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.