Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Zeugen fürchten um ihre Sicherheit

Ein Zeuge widerspricht sich selbst in seiner erneuten Aussage im Prozess gegen den angeklagten Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe. Er hat Angst.

Überlebende des Völkermords in Ruanda passieren ein Massengrab. Bild: reuters

FRANKFURT taz | Die Richter des Oberlandesgerichts Frankfurt wirken skeptisch. Der Zeuge scheint ratlos. Am Dienstag sagt er, er habe den wegen Völkermord angeklagten Ex-Bürgermeister Onesphore Rwabukombe im April 1994 vor der Kirche von Kabarondo nur gesehen. Als das BKA ihn vor zwei Jahren in Ruanda vernommen hat, sagte er aber aus, Rwabukombe habe damals gerufen: "Es soll keiner übrig bleiben!"

Das Gericht will nun wissen, wie zwei so unterschiedliche Aussagen möglich sind. "Wenn man von Unbekannten etwas gefragt wird, kann es schon sein, dass man aus Versehen was Falsches sagt", versucht er sich zu erklären. Aber was er am Dienstag gesagt habe, das sei die Wahrheit. Doch der Zeuge hat auch Angst: Vor der Vernehmung hat er darum gebeten, seinen Namen nicht zu nennen. Er fürchte um seine Sicherheit.

Dass er nun seine Aussage revidiert, könnte für den Prozess Folgen haben. Schließlich ist er einer der wichtigsten Zeugen für Rwabukombes Beteiligung am Kirchenmassaker von Kabarondo, bei dem laut der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft am 13. April 1994 mindestens 1360 Menschen getötet wurden. Seitdem der Prozess im Januar 2011 begonnen hat, hat bislang kein Zeuge Rwabukombe in diesem Punkt der Anklage belastet.

Ermordung von 1.200 Menschen mit befohlen

Bei einem weiteren Anklagepunkt, dem Kirchenmassaker von Kiziguro, verdichten sich indes die Anzeichen, dass der damalige Bürgermeister von Muvumba, die Ermordung von mindestens 1.200 Menschen zumindest mit befohlen hat. Nachdem eine Zeugin Rwabukombe bereits vor zwei Wochen schwer belastet hat, hat am Dienstag nun ein zweiter Zeuge, ähnliches ausgesagt.

Auch er bittet darum, seinen Namen nicht zu nennen. Auch er fürchtet um seine Sicherheit. Sein älterer Bruder haben beim Ruanda-Tribunal der UNO in Arusha ausgesagt. Nach seiner Rückkehr nach Ruanda sei er angegriffen worden und dann gestorben. Im April sei die Beerdigung gewesen.

Zusammen mit seinem Bruder habe er im April 1994 in der Kirche von Kiziguro Schutz gesucht. Am Morgen des 11. April sei dann das Tor zum Kirchengelände von außen geöffnet worden. Vor der Menge draußen hätten die Verwalter gestanden – auch Rwabukombe. Dann sei in die Menge geschossen worden. Rwabukombe habe dann seinen Bürgern befohlen: "Helft!" Daraufhin hätten diese angefangen mit Macheten auf Tutsi einzuschlagen.

Leichen zum Brunnen schleppen

Schließlich seien die Männer in zwei Gruppen eingeteilt worden – in Hutu und Tutsi. Nachdem etwa 200 Menschen getötet worden waren, habe man ihm und etwa 200 anderen Tutsi befohlen, eine Leiche zu einem Brunnen hinter der Kirche zu schleppen und dort hineinzuwerfen. Dann seien auch sie niedergeschlagen und in das Massengrab geworfen worden.

Ihn selbst habe man wohl für tot gehalten, er sei aber nur verletzt gewesen. In dem Brunnen habe er dann mit etwa zehn anderen Überlebenden mehrere Tage auf den Leichen gelegen, bis schließlich die Tutsi-Rebellen-Armee FPR das Gebiet erobert habe und sie gerettet worden seien. Als er nach oben kam, sei er am Auge verletzt gewesen: "Ich habe kaum etwas gesehen."

Der Prozess wird kommende Woche fortgesetzt. Dann sollen zum ersten mal Zeugen aus Ruanda per Video vernommen werden. Sie sind derzeit in Ruanda in Haft. Weil Deutschland ihre Rückkehr nicht garantieren kann, können sie nicht nach Frankfurt kommen.

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