Rückzug von Brosius-Gersdorf: Es ist die Stunde der Antifeministen
Der Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf ist ein Sieg der rechten Hetzer – der nur durch die Unterstützung von CDU und CSU möglich war.
D er Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf für das Amt der Verfassungsrichterin geht auf das Konto einer rechten Hetzkampagne – und der Nährboden für diese Stimmungsmache lag nirgends sonst als in der Unionsfraktion. Mutwillig verbreiteten CDU- und CSU-Abgeordnete die haltlosen Diffamierungen Brosius-Gersdorfs und verhalfen so den selbsterkorenen „Lebensschützern“, den kirchlichen Fundamentalisten und illiberalen Kräften zu einem Erfolg im Parlament. Es ist die Stunde der Antifeministen, und sie haben Blut geleckt.
Aus mehreren Gründen ist der Rückzug von Brosius-Gersdorf ein Einschnitt. Erstmals ist eine Kandidatin nach ihrer Ernennung im Richterwahlausschuss in Zweidrittelmehrheit im Nachhinein öffentlich so demontiert worden. Die Potsdamer Rechtsprofessorin hat sich entschieden, ihren Kopf nicht mehr für die unerbittliche Kampagne der organisierten Abtreibungsgegner hinzuhalten. Das ist so bitter wie nachvollziehbar.
In ihrer Erklärung seziert Frauke Brosius-Gersdorf die Vorwürfe an sie in einer Präzision, die erneut deutlich macht, was für ein Verlust ihr Rückzug für das Verfassungsgericht bedeutet. Sie wirft der Union vor, ungeprüften Behauptungen aufgesessen zu sein, und kritisiert eine Diffamierungskampagne, die teils durch künstliche Intelligenz generiert worden sei. Dabei kritisiert sie die Union auch dafür, ihre Prinzipien von Anstand und Respekt in der Frage der Richterwahl über Bord geworfen zu haben.
Für Schwar-Rot wird's jetzt schwierig

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Nun darf es niemanden überraschen, dass das Parlament und insbesondere auch die Unionsfraktion für rechte Kampagnen, Falschinformationen und Panikmache anfällig sind. Wer etwas anderes behauptet, hat sich längst nur daran gewöhnt, dass etwa die Migrationspolitik von Verschärfung zu Verschärfung getrieben wird, ohne dass sich etwas an der rechten Stimmungsmache ändert.
Für SPD, Grüne und Linke, die bis zuletzt hinter Brosius-Gersdorf standen, ist ihr Rückzug allerdings ein fatales Signal. Es führt den Parteien vor Augen, dass ihre Kraft derzeit eben nicht ausreicht, um sich einer rechten Kampagne wirksam entgegenzustellen. Für die SPD stellt sich dabei auch die Frage, ob sie die Kritik an Brosius-Gersdorf nicht einfach zu spät erkannt und die Stimmungsmache deshalb nicht entschiedener verhindert hat.
Für die Koalition aus SPD und CDU, die eigentlich geräuschlos regieren wollte, brechen nun wirklich anstrengende Zeiten an. Die SPD wird der Unionsfraktion die öffentliche Demontage ihrer Kandidatin jedenfalls kaum verzeihen können.
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