Rüstung: Waffen für das Pulverfass

Mit Milliardenaufwand für modernste Systeme wollen die USA ihren Einfluss im Nahen und Mittleren Osten militärisch sichern.

US-Kampfflugzeug Bild: dpa

Als gäbe es nicht Konflikte genug, versuchen die USA seit einigen Monaten, im Nahen Osten eine neue Front zu bilden. Die nach amerikanischer Lesart "moderaten" arabischen Staaten, allen voran Saudi-Arabien und Ägypten, sollen militärisch gestärkt und dafür gerüstet werden, den Einfluss Irans in der Region einzudämmen. Allein Saudi-Arabien soll Waffen im Werte von 20 Milliarden Dollar erhalten. Für Israel, dessen militärische Strategie mit denen der prowestlichen Golfstaaten koordiniert werden soll, sind Waffen im Werte von 30 Milliarden Dollar vorgesehen. "Das ist eine große Entwicklung, weil sie Teil einer größeren regionalen Strategie und der Aufrechterhaltung der US-Präsenz in der Region ist", zitiert die Washington Post einen hochrangigen Mitarbeiter der US-Regierung. Washington rüste seine "Verbündeten und Freunde" gegen das "Muskelspiel eines aggressiven Iran". Und ein hochrangiger Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums fügt hinzu, der geplante Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien sei "entscheidend für die überspannende Architektur" der US-Politik im Nahen und Mittleren Osten.

Mit der Strategie und der Architektur der US-Politik ist die Kontrolle über den Nahen und Mittleren Osten gemeint, ein Gebiet, in dem die größten Öl- und Gasreserven der Welt lagern. Diese Kontrolle ist geopolitisch und militärstrategisch umso wichtiger, wenn man weiß, dass die Energiereserven kontinuierlich sinken, während der Bedarf an Gas und Öl, insbesondere in ostasiatischen Staaten, vor allem in Japan, China und Indien, rapide steigt. Doch der Weg, den die USA, insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September, eingeschlagen haben, um zu diesem Ziel zu gelangen, hat in die genau entgegengesetzte Richtung geführt. Der Krieg gegen Afghanistan und Irak, der militärische Einfall in Libanon und die massiven Kriegsdrohungen an den Iran haben die erklärten Gegner der USA, die Islamisten und die Terrornetzwerke in ungeahntem Maß gestärkt. Viele Länder gleichen einem Pulverfass. In Afghanistan drohen Retalibanisierung und Bürgerkrieg, in Pakistan, diesem mit Nuklearwaffen ausgerüsteten Staat, könnten radikale Islamisten auf legalem Weg an die Macht kommen. Der im Irak tobende Bürgerkrieg nimmt immer bedrohlichere Züge an, und der Libanon steht an der Schwelle zu einem neuen Bürgerkrieg. Auch in Saudi-Arabien und Ägypten brodelt es. Demgegenüber hat der Iran seinen Einfluss in Afghanistan erheblich gestärkt, im Irak sitzt der Iran praktisch mit am Regierungstisch, auch im Libanon und in Palästina hat sich der Iran über die Hisbollah bzw. die Hamas zu einem der Hauptakteure des politischen Geschehens entwickelt.

Was ist zu tun? Weder die militärische Stärke der USA noch das mit modernsten Waffen ausgestattete Arsenal Israels hat es vermocht, wie zuletzt der Krieg in Libanon gezeigt hat, den Widerstand islamistischer Organisationen und der Terrornetzwerke zu brechen. Wie ließe sich das Erstarken dieser Kräfte stoppen? Wie es scheint, lautet die Antwort aus Washington: Spalten und neue Fronten bilden. Hamas gegen Fatah, Schiiten gegen Sunniten, "moderate" arabische Staaten gegen die radikalen Staaten Iran und Syrien. Hinzu kommt die militärische Präsenz der USA im Persischen Golf, die nun mit drei der größten Flugzeugträger mit Atomwaffen an Bord die Stärke des Waffengangs vor dem Irakkrieg weit übertrifft.

Kann die Rechnung aufgehen? Wird diese furchterregende Drohkulisse die regierenden Radikalislamisten im Iran in die Knie und zum Nachgeben zwingen? Wohl kaum. Iran ist nicht Irak. Zwar hat das Regime in Teheran seine Basis in der Bevölkerung weitgehend verloren, aber es sind immer noch Millionen, die hinter dem Regime stehen, und Hunderttausende, die militärisch ausgebildet, ideologisch geschult sind und zu jedem Opfer bereit wären. Eine einzige Bombe auf den Iran würde zu einem Flächenbrand in der gesamten Region, von Pakistan über Saudi-Arabien und Ägypten bis nach Libanon, führen. Und sie würde, über die Grenzen hinaus, nicht nur eine Weltwirtschaftskrise auslösen, sondern auch die Sicherheit Europas und der USA empfindlich treffen.

Zu fragen wäre auch, wie sich Russland und China und die anderen mittel- und ostasiatischen Staaten in dieser Lage verhalten würden. Die Zeiten, in denen Russland schwärmerisch vom "europäischen Haus" sprach und Kohl und Jelzin sich, die Friedensfahne schwenkend, umarmten, sind längst vorbei. Man erinnert sich an die Äußerungen Präsident Putins auf der diesjährigen Münchener Sicherheitskonferenz, auf der er den USA warnend vorwarf, ihre "Grenzen in fast allen Bereichen überschritten" zu haben. Zu Recht wurde die Rede Putins von den Medien als Beginn des neuen Kalten Krieges gedeutet. Es ist kein Geheimnis, dass unter der Führung Russlands und Chinas längst eine Front zur Eindämmung der amerikanischen Hegemonie im Nahen und Mittleren Osten geschmiedet wird.

Die Lage im Nahen und Mittleren Osten wird immer brisanter. Der Kampf um die Kontrolle der Ressourcen spitzt sich zu, die noch funktionierenden Bündnissysteme werden immer brüchiger, die nationalen und regionalen Konflikte ziehen immer mehr Länder in Mitleidenschaft. Der geplante massive Waffenexport in den Nahen Osten verstärkt die Befürchtung, dass der Kalte Krieg irgendwann in einen heißen Krieg münden könnte.

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