Russischer Impfstoff gegen Virus: Der kalte Corona-Krieg

Russlands Wissenschaftler liegen Präsident Putin zufolge im internationalen Wettlauf um einen Impfstoff weit vorn. Zweifel sind angebracht.

Eine Frau hält zwei Ampullen hoch.

Auf einem Pressefoto wird der neue Impfstoff an einem Institut in Moskau präsentiert Foto: RDIF/ap

Chapeau, Wladimir Putin! Dieser Mann sollte nicht unterschätzt werden. Wieder ist Russlands Präsident an vorderster Front unterwegs. Diesmal nicht im Donbass, um seine Landleute vor ukrainischen „Faschisten“ zu schützen, sondern im Kampf gegen Corona. Russland hat bereits jetzt den ersten Impfstoff, schon stehen Leute wie Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro in der Warteschlange, um das Gegenmittel zu erwerben.

Nun kann niemand ernsthaft behaupten, Russland mangele es an fähigen Wissenschaftler*innen. Schon zu Sowjetzeiten gab es hervorragende Spe­zia­lis­t*in­nen, die in ihrem Eifer allenfalls durch eine chronisch defizitäre Ausstattung gebremst wurden. Auch ist Putin schwerlich der Vorwurf zu machen, er habe, anders als sein belarussischer Amtskollege Alexander Lukaschenko, die Pandemie nicht ernst genommen.

Was allerdings nichts an dem Umstand ändert, dass allzu auskunftsfreudiges medizinisches Personal auch schon mal den Job verlor. Und an die offiziellen Statistiken glaubt ohnehin keiner. Dennoch kommt ­Moskaus Vorstoß überraschend – auch für einheimische Expert*innen, die an der Wirksamkeit des Stoffes Zweifel haben. Doch es geht nicht nur um die neue Wunderwaffe Sputnik V. Vielmehr fühlt man sich an den Wettlauf zwischen zwei Systemen zu Zeiten des Kalten Krieges erinnert.

Der „riesige Sprung für die Menschheit“, wie Neil Armstrong die erste Mondladung 1969 nannte, gelang den Amerikanern und nicht den Sowjets. 12 Jahre zuvor hatte SED-Chef Walter Ulbricht das kapitalistische System noch überholen wollen, ohne es einzuholen. Auch daraus wurde nichts. Die Mitkonkurrent*innen um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs sollten sich auf keinen Überbietungswettbewerb einlassen.

Denn es geht um Menschenleben. Sollte allerdings Sputnik (übersetzt: Weggefährte) V – dem Virus tatsächlich den Garaus machen, wäre das ein mindestens ebenso großer Sprung für die Menschheit.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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