Russlands Rückkehr in den Weltsport: An der Heimatfront
Zum ersten Mal seit 2022 spielt Daniil Medwedew wieder in Russland Tennis. Kaum jemand stört sich an seinem Auftritt im Land des Aggressors.
W er in diesen Tagen wissen möchte, was die besten Tennisspielerinnen und Tennisspieler gerade so treiben, wird schnell im indischen Ozean fündig. Fast scheint es, als seien die Stars der Szene eine Art Verpflichtung eingegangen, nach der Saison ein paar Tage auf den Malediven auszuspannen. Fast alle sind sie da. Aryna Sabalenka, die Nummer 1 der Weltrangliste bei den Frauen.
Jannik Sinner, der beste Mann, natürlich auch. Der ist mit demselben Flugzeug angereist wie Alexander Zverev, der beste deutsche Tennisspieler. Vielleicht haben sie noch Daniil Medwedew getroffen. Der Russe, aktuell 13. der Weltrangliste, muss allerdings bald schon wieder abreisen. Am Samstag spielt er bei einem Einladungsturnier in St. Petersburg.
Es ist das erste Mal seit dem Beginn der Großinvasion der russischen Armee in die Ukraine, dass Medwedew in seiner Heimat auftritt. Offizielle Turniere im Kalender der Aktivenorganisationen ATP und WTA finden seit Februar 2022 nicht mehr in Russland statt. Das gehört wie der Ausschluss russischer Teams von Mannschaftswettbewerben wie dem Davis Cup zum Sanktionspaket der Internationalen Tennisföderation gegen Russlands Tennisverband.
Die Teilnahme an Einladungsturnieren auf dem Gebiet der Russischen Föderation ist allen, die das möchten, dagegen erlaubt. Obwohl die Veranstalter gewiss versucht haben, Medwedew zu ködern, ist er in diesem Jahr zum ersten Mal dabei, wenn in St. Petersburg um die „Trophäe Palmyra des Nordens“ gespielt wird.
Ohne Haltung
Medwedew hat stets versucht, jede Frage zum Krieg der Russen gegen die Ukraine mit einer möglichst nichtssagenden Antwort zu umschiffen, wenn er sie überhaupt beantwortet hat. „Ich bin gegen Krieg“, ist so ein Satz Medwedews. Nachdem der von vielen so interpretiert wurde, als sei er ein Statement gegen Russlands Vorgehen in der Ukraine, sagte er nicht einmal mehr das. Nun reist er also zu einem Gauditurnier nach St. Petersburg. Das wird vom russischen Energiekonzern Gazprom gesponsert, der eine nicht gerade unbedeutende Rolle als Geldbeschaffer in der russischen Kriegswirtschaft spielt.
Medwedew tritt zusammen mit seinen Landsleuten Karen Khatschanow und Veronika Kudermetowa sowie der Kasachin Julia Putinzewa für das Team Löwe an. Wer sich ab und zu mal über ein Video mit dem persischen Tennisclown Mansour Bahrami freut, wird vielleicht staunen, dass der seine Show als Teamkapitän der Löwen am kommenden Wochenende in Russland abziehen wird. Die Löwen spielen gegen das Team Sphinx mit Anastasia Potapowa, Diana Shnaider und Alexander Bublik, der wie Putinzewa beim kasachischen Tennisverband registriert ist.
Die russische Nummer eins bei den Frauen, die 18-jährige Mirra Andreeva, hätten die Veranstalter sicher auch gerne präsentiert. Das haben sie im vorigen Jahr schon getan. Doch IMG, die US-amerikanische Vermarktungsagentur des Jungstars, hatte etwas dagegen. Ein Jahr später erhoben Medwedews Werbepartner wie Lacoste, BMW oder der Luxusuhrenhersteller Bovet keinen Einspruch gegen die Teilnahme des Tennisstars an einem Showevent in Russland.
Das passt zur Stimmung im Weltsport, der russischen Athletinnen und Athleten immer häufiger die Tür öffnet, die man 2022 vor ihnen geschlossen hatte. Auch Schamil Tarpischtschew, der wortgewaltige Chef des russischen Tennisverbands, rechnet mit einem baldigen Ende der Sanktionen. Im März erst ist seine Mitgliedschaft ohne jedes Aufsehen im Internationalen Olympischen Komitee bis 2028 verlängert worden. Dabei gäbe es gute Gründe, den Mann ganz aus dem Sport zu entfernen. 2014 unterbrach er in einer Talkshow des russischen Fernsehens den Moderator, als der auf die Williams-Schwestern zu sprechen kam. „Williams-Brüder!“, korrigierte er.
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