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#SEAblings-Meme in IndonesienEssen für die Lie­fe­ran­t:in­nen

In Indonesien arbeiten Motorradfahrer:innen, die für Onlinedienste ausliefern, am Existenzminimum. Nach einem Todesfall gibt es breite Solidarität.

Solidarität mit den working poor: Demonstrationen in Jakarta nach dem Tod des 21-jährigen Motorrad Lieferfahrers Affan Kurniawan Foto: Willy Kurniawan/reuters

Berlin taz | Essen bestellen ist inzwischen fast überall auf der Welt ziemlich einfach. Meistens reichen wenige Klicks auf einer Website oder in einer App und in wenigen Minuten steht der Essenslieferant vor der Tür.

Auch in Indonesien gehen so jeden Tag zigtausende Bestellungen ein. Gerade gibt es allerdings viele Onlinebestellungen, die nicht dafür bestimmt sind, geliefert zu werden, sondern als Zeichen der Solidarität direkt an die Lie­fer­fah­re­r:in­nen gehen sollen.

In dem südostasiatischen Land arbeiten Motorradfahrer:innen, die für Onlinedienste etwa Essen und Medikamente ausliefern, am Existenzminimum.

Ende August wurde einer von ihnen getötet, der 21-jährige Motorrad-Lieferfahrer Affan Kurniawan. Er wurde als Unbeteiligter von einem Polizeifahrzeug in Jakarta überfahren, während der andauernden Proteste im Land. Seit dem 25. August halten die Unruhen gegen hohe Lebenshaltungskosten, Armut und Korruption schon an.

Es sind die heftigsten seit mehreren Jahren. Für die Mo­tor­rad­fah­re­r:in­nen verschlechtert sich die Lebenssituation durch die Proteste noch mehr, da viele Restaurants geschlossen sind, und Menschen weniger bestellen. Gleichzeitig sind sie als Sinnbild der Unterschicht, der „working poor“ zentraler Gegenstand der Proteste und nehmen auch aktiv an ihnen teil.

Über Landesgrenzen hinaus

Kurniawans Tod und die grundsätzliche Situation für die Lie­fer­fah­re­r:in­nen sorgen für nationale Trauer und öffentlich ausgetragenen Ärger – die Proteste eskalieren. Aber sie sorgen auch für Solidarität über Landesgrenzen hinaus.

Unter dem Hashtag #SEAblings – eine Mischung aus der Abkürzung für South East Asia und Siblings (Geschwister) – rufen gerade viele Menschen auf Onlineplattformen aus Nachbarländern wie Malaysia, Singapur und Thailand zu Essenslieferungen und dem Senden von Hilfsgütern an die Es­sens­ta­xi­fah­re­r:in­nen auf. Einer der Initiatoren ist der thailändische X-Nutzer @sighyam, der bereits am 30. August, zwei Tage nach Kurniawans Tod, dazu aufrief, Essen an die Lie­fe­ran­t:in­nen zu liefern.

Genutzt wird dafür hauptsächlich die App „Grab“. Die hat einen Vorteil: Sie ist in vielen südostasiatischen Ländern verbreitet und im Gegensatz zu anderen Lieferapps kann man hier den Standort verstellen, etwa auf ein anderes Land.

2019 gab das Unternehmen an, fast fünf Millionen Fah­re­r:in­nen in Indonesien für GrabBike, GrabCar und GrabFood zu haben. Bemerkenswert ist daran, wie viele Menschen über einen Hashtag und die Nutzung einer digitalen Plattform mobilisiert werden können, ohne dass dazu physische Proteste oder etwa humanitäre Ver­mitt­le­r:in­nen erforderlich sind.

Die Aktion erinnert an andere digitale Proteste in dieser Region wie etwa die „Milk Tea Alliance“, ein viraler Hashtag unter dem sich seit 2020 Menschen aus der Region vernetzen, um für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Bei #SEASiblings allerdings wird nun die Solidarität über Essen gezeigt. Das ist vielleicht gar nicht so erstaunlich. In vielen asiatischen Ländern ist „Have you eaten yet“ – „hast du schon gegessen?“ eine typische Begrüßung und Ausdruck von Zuneigung.

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