SPD-Politiker über Datenschutz im Netz: „Wir hinken hinterher“

Beim Schutz von persönlichen Daten hat Deutschland kaum aus der NSA-Affäre gelernt. Was hilft? Weniger trödeln und mehr Staat, sagt Staatssekretär Ulrich Kelber.

Spuren verwischen im Internet. Die brasilianische „Internetverfassung“ definiert ein Recht auf Privatsphäre. Bild: dpa

taz: Herr Kelber, Sie waren gerade zu Besuch in Brasilien. Warum ist Deutschland in Sachen Verbraucherschutz so rückständig?

Ulrich Kelber: Im Gegenteil. Deutschland ist in vielen Bereichen weit vorne. Wo wir in Europa hinterherhinken, das ist beim Schutz von Daten und informationellen Selbstbestimmungsrechten im Internet.

Brasilien hat mit einer Internetverfassung weltweit Maßstäbe gesetzt. Das Gesetz regelt verbindlich und detailliert, dass Grundrechte auch im Netz gelten. Wie lange wird es dauern, bis es so etwas auch in Deutschland gibt?

Eine solch weitgehende Regelung kennen wir bei uns tatsächlich noch nicht. Wir ringen derzeit darum, dass wir in Europa rasch eine umfassende Datenschutzgrundverordnung bekommen, die unter anderem das Marktortprinzip und das Einwilligungsprinzip festschreibt. Es wäre ein riesiger Fortschritt, wenn wir Unternehmen wie Google und Facebook endlich verpflichten könnten, sich in Europa an europäisches Recht zu halten.

Ringen ist gut. Es ist das CDU-geführte deutsche Innenministerium und damit Ihre Regierung, die bei den Verhandlungen auf die Bremse tritt.

Es gibt natürlich auch innerhalb der Bundesregierung verschiedene Ansichten. Die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff hat etwa die NSA-Affäre von Beginn an mit sehr deutlichen Worten kommentiert. Ich hätte mir das damals auch von der deutschen Bundeskanzlerin gewünscht. Mein Ministerium sorgt derzeit dafür, viele konkrete Textvorschläge einzubringen, die den Verhandlungsprozess in Sachen Grundverordnung zügig voranbringen. Das ist der Unterschied zur Vorgängerregierung.

Von Versprechungen können sich Internetnutzer in Deutschland aber nichts kaufen. Wann helfen Sie ihnen?

Wir wollen, dass die Datenschutzgrundverordnung in einem Jahr in Brüssel abgeschlossen werden kann. Das heißt auch: Ich erteile jenen Stimmen in der Union eine klare Absage, die meinen, wir könnten uns damit bis 2016 Zeit lassen.

Jahrgang 1968, sitzt für die SPD im Deutschen Bundestag und ist Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Gerade war er zu Besuch in Brasilien, das als eines der fortschrittlichsten Länder gilt, wenn es um den Schutz von Daten und um Selbstbestimmungsrechte im Internet geht.

Dann haben Sie einen Punkt abgehakt. Da lachen die Brasilianer.

Moment, diese Datenschutzverordnung ist ein Riesenpaket. Und entscheidend ist ja nicht nur, was auf dem Papier steht, sondern was am Ende den Menschen faktisch hilft. Es gibt auch in Brasilien sehr skeptische Stimmen zu der Frage, wie viel die sogenannte Internetverfassung in der Praxis wert ist. In Europa gilt: Wenn es erstmal eine Verordnung gibt, dann können sie auch sicher sein, dass die sehr schnell sehr konkret hilft.

Also lässt sich von Brasilien nichts lernen?

Doch. Zum Beispiel, dass dort der Staat viele Verbraucherschutzaufgaben wahrnimmt. In Deutschland ist das anders. Da werden zahlreiche Verbraucherschutzfragen über den zivilrechtlichen Bereich geklärt und die Nichtregierungsorganisationen spielen eine größere Rolle. Es täte uns in Deutschland gut, den Staat stärker in die Pflicht zu nehmen, um Verbraucherinteressen effektiver durchzusetzen, etwa in der Finanzaufsicht. Das streben wir an. Gleichzeitig wollen wir die Verbraucherschutzorganisationen stärken und ihnen ein Unterlassungsklagerecht gegen Datenschutzverstöße geben.

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