SPD-Politiker über Umgang mit Rechten: "Nicht immer mit Auschwitz kommen"

Der SPD-Fraktionsvize in Mecklenburg-Vorpommern, Mathias Brodkorb, kämpft mit Satire gegen Nazis - und stellt Blockaden als richtige Mittel gegen rechte Demos in Frage.

Sitzblockaden als ungewollt Anlässe, damit Nazis sich als Opfer fühlen? Bild: dpa

taz: Herr Brodkorb, Sie sind Mitbegründer des satirischen Modelabels "Storch Heinar" und stehen vor Gericht, weil das unter Rechten beliebte Modelabel Thor Steinar Markenschädigung wittert. Finden Sie die Aufregung eigentlich noch lustig?

Wieso sollte man über Rechtsextremisten nicht lachen dürfen?

Ihre Satire ist witzig, der Hintergrund aber ist ernst.

Der 33-Jährige ist SPD-Fraktionsvize im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und Gründer des Modelabels "Storch Heinar", einer satirischen Antwort auf die unter Rechtsextremen beliebte Kleidungsmarke "Thor Steinar". Derzeit verhandelt das Landgericht Nürnberg über die Zulässigkeit der Satiremode gegen rechts.

Ach, wir sollten aufhören, diese Debatte mit einem zu großen moralischen Zeigefinger zu führen. Mit unserer Parodie lachen wir nicht über die Opfer, sondern über die Täter. Wir fragen uns aber auch, ob es angemessen ist, dass diese Aktion medial so stark rezipiert wird, während die Schwerpunkte unserer alltäglichen Arbeit gegen Rechtsextremismus kaum wahrgenommen werden.

Deshalb rufe ich an. In Mecklenburg-Vorpommern kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Angriffen von Rechsextremen auf Abgeordnete.

Das stimmt. Wir sind konfrontiert mit einer Zunahme der Gewalt. In diesem Jahr gab es in Mecklenburg-Vorpommern schon über 20 Angriffe auf Abgeordnetenbüros. Das schafft ein allgemeines Bedrohungsgefühl, das auch die politische Arbeit lähmt. Die Kollegen wollen sich zwar nicht einschüchtern lassen, fragen aber, wo das noch hinführen kann.

Was sehen Sie denn für Probleme im Kampf gegen rechts?

Das grundlegende Problem wird bereits durch die Bezeichnung "Anti-Faschismus" deutlich. Wenn man wirklich für Demokratie aktiv werden will, darf man sich nicht wie das Kaninchen vor die Schlange setzen und sich von Rechtsextremisten die Agenda diktieren lassen. Diese reflexartige Strategie lehne ich ab. Nur weil Herr Hitler mal "Guten Tag" gesagt hat, dürfen wir nicht mehr "Guten Tag" sagen, oder was? Die spannende Frage sind doch gar nicht die Nazis, sondern vielmehr unser Umgang mit ihnen.

Das müssen Sie erläutern. Es sind doch gerade Nazis, die in Mecklenburg-Vorpommern die Abgeordneten bedrohen, und nicht diejenigen, die dagegen kämpfen.

Aber wer glaubt, heutige Rechtsextremisten mit Auschwitz bekämpfen zu können, wird erfolglos sein. Die NPD mobilisiert die Jugend nicht mit Auschwitz, sondern mit Kultur, Freizeitbeschäftigung und sozialen Themen. Wenn Sie diesen jungen Leuten mit Auschwitz kommen, argumentieren Sie an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei. Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt.

Und der wäre?

Durch undifferenzierte Argumente höhlen Sie auch das demokratisch zulässige Spektrum aus. Wenn alles, was am demokratischen rechten Rand stattfindet, in die rechtsextreme Ecke gestellt wird, dann ist das für die Demokratie ein Armutszeugnis. Dass das der Linken nützlich ist, bezweifele ich. Eine Zeitung wie die Junge Freiheit müssen Demokraten ertragen können. Teufelsaustreibung war etwas fürs Mittelalter.

Was sind denn die Gründe für die Zunahme rechter Gewalt?

Zunächst einmal scheint es der NPD aufgrund der Stagnation der eigenen Erfolge nicht mehr zu gelingen, gewaltbereite rechtsextreme Milieus zu zivilisieren. Da kommen einigen Kreisen die erfolgreichen Blockaden von Nazidemos gerade recht: Es ist signifikant, dass die Gewaltdebatte in der rechtsextremen Szene gerade zu der Zeit anstieg, als Linke erfolgreich mit Straßenblockaden deren Demonstrationsrecht einschränkten.

Moment mal: Wer Nazis blockiert, ist schuld an rechten Übergriffen?

Nein, natürlich nicht. Die Gewalt geht von Rechtsextremisten und niemand anderem aus. Punkt. Aus. Feierabend. Aber man muss sich die Frage stellen, ob man ungewollt Anlässe bietet, durch die sich Nazis unnötig als Opfer und Märtyrer fühlen können. Den Konsequenzen aus dem eigenen Handeln müssen sich auch Linke stellen.

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