SPD-Rechte beklagen Medienkampagne: „Scheinheilig und lächerlich“

Der Seeheimer Kreis, Flügelorganisation der SPD-Rechten, hat die Schuldigen für Peer Steinbrücks Imageprobleme gefunden: die Medien.

Hat in diesen Tagen wohl keine Freude bei der Zeitungslektüre: Peer Steinbrück. Bild: dpa

BERLIN taz | Es gehört zu den ungeschriebenen medialen Gesetzen, dass Journalisten Politiker kritisieren dürfen, dies umgekehrt aber unüblich ist. Es gilt bestenfalls als Zeichen von Nervosität oder gar als übergriffig. Beim „Seeheimer Kreis“, namentlich Petra Ernstberger, Johannes Kahrs und Carsten Schneider liegen angesichts der Schlagzeilen über Peer Steinbrück offenbar die Nerven blank. „Es reicht!“, so ist der Brandbrief übertitelt, in dem die drei SPD-Konservativen Steinbrück verteidigen und sich die Medien vorknöpfen.

„Seitdem Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat der SPD fest steht hat es fortdauernde Versuche gegeben, seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Stets hat Peer Steinbrück zu allen Fragen offen und ehrlich Stellung genommen, die von einigen erhofften Skandale blieben aus“ so die Analyse des Trios.

Die Debatte um die Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten sei „scheinheilig“, weil Steinbrück alles auf Euro und Cent offengelebt habe, wogegen sich „die Kanzlerin und ihre schwarz-gelbe Koalition im Bundestag“ wehren. Als „Höhepunkt der Peinlichkeit“ erscheint dem Trio, dass „nach den Preisen von Weinflaschen und Zimmertemperaturen im Hause Steinbrück“ gefragt wurde: „Einfach nur lächerlich!“

Peer Steinbrück bestreitet, sich einst als Aufsichtsrat von ThyssenKrupp für ermäßigte Stromkosten des Stahlkonzerns stark gemacht zu haben. „Ich habe mich an keiner Stelle eingesetzt für einen Rabatt“, sagte er am Mittwoch. Er habe nur das getan, was seine Partei „generell mit Blick auf notwendige Industriepolitik in Deutschland für richtig“ halte. Die SPD trete dafür ein, „die wichtige Wertschöpfungskette der Industrie in Deutschland“ zu erhalten und dabei spielten die „Energiepreise und Energiekosten für große und mittlere Unternehmen eine große Rolle“, betonte er.

Am Dienstag hatte das Handelsblatt berichtet, dass Steinbrück während seiner Zeit als Aufsichtsrat bei ThyssenKrupp dem Konzern politische Hilfe für niedrigere Strompreise angeboten habe.

Richtig sauer macht die drei Bundestagsabgeordneten, dass das Handelsblatt kritisierte, dass Steinbrück sich im Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp für die Befreiung des Konzern von der Ökosteuer stark gemacht hat. Das, so die drei empört, „schlägt dem Fass den Boden aus!“. Steinbrück habe damit nur „die vornehmste Pflicht jedes Bundestagsabgeordneten erfüllt, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die darauf gründende soziale Stabilität unseres Landes zu wahren.“

Die Befreiung von energieintensiven Unternehmen habe schon die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder betrieben. Kritiker hatte Steinbrück eine unzulässige Vermischung von seinen Rollen als Politiker und Mitglied des Aufsichtsrates vorgehalten.

Appell an die Medienlandschaft

Peer Steinbrück war noch Anfang 2011 einfacher SPD-Bundestagabgeordneter und Ex-Minister, dem in der SPD noch kaum jemand eine politische Zukunft zutraute. Dass er Teil der Troika mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wurde, verdankte sich auch Medien wie dem Spiegel, die Steinbrück als einzigen Sozialdemokraten in Szene setzten, der Angela Merkel gefährden könne.

Dass von den Medien nun Sperrfeuer kommt, die Steinbrücks Aufstieg zum Kanzlerkandidaten beförderten, erzürnt die drei Sozialdemokraten besonders: „Es sind dieselben Medien, zum Teil sogar dieselben Personen, die ihm noch vor wenigen Monaten wegen seiner offenen und ehrlichen Sprache Szenenapplaus spendeten.“

Und: „Wir appellieren an die deutsche Medienlandschaft, sich wieder auf die Sachebene zu begeben. Es mag reizvoll sein, mit Politikern im Aufzug nach oben und anschließend nach unten zu fahren. Die aktuelle, an Kampagnenjournalismus grenzende Berichterstattung kann jedoch dazu beitragen, dass immer weniger in diesen Fahrstuhl einsteigen. Nochmal, Es reicht!“

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