SPD-Regionalkonferenz in Saarbrücken: Das Rennen ist offen

Die SPD sucht basisdemokratisch eine neue Spitze. Der Anfang der langen Kandidatenkür in Saarbrücken gestaltet sich erstaunlich lebendig.

Das Kandidatenpaar Walter-Borjahns und Esken vor bunter Wand

Werden schon als Favoriten gehandelt: Norbert Walter-Borjahns und Saskia Esken Foto: dpa

Die SPD ist ja so etwas wie der kollektive Blitzableiter der Republik geworden. Für die Hippen ist sie zu altmodisch, für die richtigen Linken zu opportunistisch, für die Nationalisten zu liberal und für alle zu langweilig. Am Mittwochabend war zur ersten SPD-Regionalkonferenz in Saarbrücken auch die „heute show“ angerückt – in Erwartung mannigfacher Peinlichkeiten.

Dass das Willy-Brandt-Haus sogar Outfit-Tipps an die KandidatInnen verschickt hatte, ließ ja Schamvolles erwarten. Mehr als ein Dutzend GenossInnen präsentierten sich, die die SPD führen wollen, die Älteste ist 76 Jahre. Und dieses Format gibt es 23-mal. Die Vorabpresse war SPD-typisch mies. Hat Olaf Scholz eigentlich nichts Besseres zu tun?

Falsch. Für Häme gibt es keinen Anlass. In Saarbrücken konnte man eine konzentrierte Debatte erleben, rund um die sozialdemokratische Kernkompetenz Sozialstaat, verknüpft mit Klimaschutz und Digitalisierung. Politisch sind drei Fraktionen auf dem Platz. Die Realos (Olaf Scholz & Klara Geywitz und Boris Pistorius & Petra Köpping), die unbedingt in der Groko bleiben wollen, auch wenn sie das nur verdruckst sagen. Dann die moderaten Regierungslinken (Gesine Schwan & Ralf Stegner, Michael Roth & Christina Kampmann). Und die Linken, die lieber jetzt als später aus der Groko aussteigen wollen (Karl Lauterbach & Nina Scheer, Norbert Walter-Borjans & Saskia Esken, Hilde Mattheis & Dierk Hirschel).

Nach dem ersten Auftritt in Saarbrücken ist klar: Die Warnung, dass so viel Basisdemokratie nicht zur SPD passt, ist Unsinn. Es wurde mit Argumenten gekämpft, mal pfiffig, mal unoriginell, mal erwartbar, mal überraschend. Es gab wenig harte Konfrontation. Das ist dem Format geschuldet, das Kürze und schnelle Themenwechsel erzwingt. Aber es existiert in der Partei auch mehr inhaltlicher Konsens, als man so meint.

Es wurde erfreulicherweise weit weniger gebrüllt als auf SPD-Parteitagen. Schon das ist ein ästhetischer Fortschritt

Es wurde erfreulicherweise weit weniger gebrüllt als auf SPD-Parteitagen. Schon das ist ein ästhetischer Fortschritt. Das Rennen ist übrigens offen: Scholz & Geywitz und Borjans & Esken scheinen leicht favorisiert, aber das kann täuschen.

Diese Selbstverständigungsdebatten werden die gravierenden Probleme der SPD nicht lösen. Die technokratische Verholzung der Apparatepartei existiert weiter, ebenso die drängende Frage, ob das Konzept einer konsensorientierten Volkspartei in einer von Filterblasen und Individualisierung geprägten Öffentlichkeit überlebensfähig ist. Aber: Die SPD kann eine lebendige, pulsierende Partei sein. Es gibt Schlimmeres.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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