SPD nach der Bundestagswahl: Dumm gelaufen

Für die SPD bricht eine schwierige Zeit an: Ergebnis verbessert und doch verloren. Die großen Fragen: Wer ist verantwortlich? Und wie geht es weiter?

Was nun? Steinbrück, Gabriel und die SPD. Bild: dpa

BERLIN taz | Das ist bitter für die SPD. Erst muss sie sich schon lange vor dem Wahltag von ihrem erklärten Ziel Rot-Grün verabschieden. Dann, kurz nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr, sieht es aus, als könnten die Sozialdemokraten ganz gelassen auf einen Anruf aus der CDU-Zentrale warten, um mögliche schwarz-rote Koalitionsoptionen zu besprechen. Eine Stunde später ploppen Hochrechnungen auf, laut denen die Union kurz vor der absoluten Mehrheit stehen könnte - um kurz darauf widerrufen zu werden.

Im Willy-Brandt-Haus hält man sich tapfer. Parteichef Sigmar Gabriel sagt: „Ja, wir haben zugelegt, aber wir hatten mehr erwartet.“ Das Wahlergebnis sei „ein großer Erfolg für die CDU/CSU und für Frau Merkel“. Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warnt mit Blick auf die noch unklaren Mehrheitsverhältnisse vor Koalitionsspekulationen: „Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel.“

Die sagt denn auch prompt im ZDF, sie strebe „stabile Verhältnisse“ an. Steinbrück rät für den Fall einer absoluten CDU-Mehrheit seiner Partei, für eine Große Koalition nicht zur Verfügung zu stehen.

Für die SPD bricht eine schwierige Zeit an. Auch wenn sie es geschafft hat, ihr schmähliches 23-Prozent-Ergebnis von 2009 um rund 3 Prozentpunkte zu verbessern, hat die Partei letztlich verloren. Und das, obwohl sie sich ein Wahlprogramm verpasst hatte, das viele Fehler der Agenda-Zeit zurückdrehen wollte. Sie hat die Pannen ihres Spitzenkandidaten ertragen und weggelächelt. In den letzten beiden Wochen durfte sie sogar hoffen, dass die FDP es nicht in den Bundestag schafft und ihr zumindest die Option einer Großen Koalition offensteht.

Die großen Fragen, die in den kommenden Wochen zu diskutieren sein werden, lauten: Wer ist verantwortlich? Und wie geht es weiter?

Jetzt ein wenig über Hausbesuche lästern

Vermutlich wird im Willy-Brandt-Haus die Schuld erst einmal Generalsekretärin Andrea Nahles übergeholfen. Sie war verantwortlich für den Wahlkampf. Jetzt ein wenig über Hausbesuche zu lästern, wäre wohlfeil. Zudem lenkt dies die Aufmerksamkeit weg vom Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel. Der 54-Jährige hat zwar immer wieder in Peer Steinbrücks Wahlkampf reingefunkt. Aber letztlich hat er in den Jahren zuvor die angeschlagene Partei wieder geeint und dafür gesorgt, dass die SPD sich einsichtig zeigt bei Themen wie der Rente mit 67 oder Hartz IV und Leiharbeit.

Ob Koalitions- oder Oppositionsjahre, die Sozialdemokraten können die Zeit nutzen, um noch einmal an ihrem Projekt Rot-Grün zu schrauben. Die beiden Wunschkoalitionäre könnten gemeinsame inhaltliche Schnittmengen diskutieren, um den Appetit der Wählerinnen und Wähler auf Rot-Grün zu schüren.

Zudem wäre Zeit, bis zum nächsten Urnengang über Rot-Rot-Grün im Bund zu verhandeln. Was im zurückliegenden Wahlkampf noch unrealistisch war - eine starke linke, ökologische Koalition -, könnte bis 2017 eine ernsthafte Option werden. Durch das gute Abschneiden der Linkspartei als drittstärkste Fraktion wüchse zudem der Druck auf die SPD, sich inhaltlich weiter links zu positionieren.

Personelle und strategische Entscheidungen

Den Wählerinnen und Wählern, die diesmal der SPD ihre Stimme gegeben haben, wäre wohl kaum noch vermittelbar, wieso sich die SPD lieber mit der Union zusammentut und sich gegen ein Bündnis mit der Linken stemmt. Die Zeit bis zur nächsten Wahl müsste zudem genutzt werden, um den Grünen und ihren Wählern zu verklickern, warum die Bürgerrechtspartei mit DDR-Vergangenheit reif sein soll für ein Bündnis mit der SED-Nachfolgepartei.

Sämtliche personellen und strategischen Entscheidungen, die bei der SPD nun anstehen, werden heftig debattiert. Nachdem an diesem Montag im Willy-Brandt-Haus der Parteivorstand getagt haben wird, trifft sich am Freitag der Parteikonvent. Am Dienstag und Mittwoch werden die neuen Abgeordneten begrüßt und die ausscheidenden verabschiedet.

Mitte November tagt dann der Bundesparteitag. Bis dahin werden die Genossinnen und Genossen Rückschau halten und ihre Optionen für die Zukunft wägen. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bringt es auf den Punkt: "Man kann gewinnen und ist trotzdem nicht der Gewinner." So oder so.

Alle aktuellen Hochrechnungen finden Sie in unserem Live-Ticker.

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