SPD verliert Stichwahl in Brandenburg: Parteilose Noosha Aubel holt OB-Wahlsieg in Potsdam
In Brandenburg triumphieren Parteilose in Potsdam und Frankfurt (Oder). Verlierer des Abends waren die SPD, aber auch die extrem rechte AfD.

Die Enttäuschung bei den Sozialdemokraten ist groß. Sie verlieren erstmals seit 35 Jahren das Oberbürgermeisteramt in Potsdam. Zugleich setzt sich der Trend zu parteilosen Kandidaten in Brandenburg fort.
„Parteien haben ein sehr schlechtes Image“, sagte der Potsdamer Politikwissenschaftler Jan Philipp Thomeczek der Deutschen Presse-Agentur. „Wer also ohne 'Partei-Ticket' in so eine Wahl geht, kann sich von diesem Image loseisen und kommt möglicherweise besser an.“
Parteilose Kandidaten gewinnen auch in anderen Städten
Auch in Frankfurt (Oder) war ein Bewerber ohne Parteizugehörigkeit erfolgreich: Der Einzelbewerber Axel Strasser wird neuer Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), der viertgrößten Stadt Brandenburgs. Er gewann die Stichwahl klar mit 69,8 Prozent der Stimmen gegen den AfD-Kandidaten Wilko Möller (30,2 Prozent).
In Eisenhüttenstadt gewann Marko Henkel die Bürgermeister-Stichwahl. Er ist parteilos, wurde aber von der SPD nominiert - und ließ einen AfD-Bewerber in der Stichwahl hinter sich. Vor allem in Eisenhüttenstadt hatte sich die AfD deutlich mehr ausgerechnet, verlor aber letztlich mit deutlichem Abstand. Die Rechtsextremen blieben schlechte Verlierer und säten nach der Wahl Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Briefwahlstimmen.
In Potsdam sprachen die Sozialdemokraten von einer schwierigen Ausgangslage - gemeint ist die Abwahl des früheren Oberbürgermeisters Mike Schubert per Bürgerentscheid. SPD-Generalsekretär Kurt Fischer sagte, dies sei „großer Ballast“ für die SPD gewesen.
Im Mai musste der wegen seiner Amtsführung kritisierte SPD-Rathauschef Schubert vorzeitig abtreten. Er galt unter anderem wegen einer VIP-Ticket-Affäre als beschädigt, weil er kostenlose Eintrittskarten für Sportveranstaltungen angenommen hatte.
SPD-Kandidat geht zurück nach Berlin
Als unbelasteter SPD-Mann von außen sollte Fischer in die Bresche springen. Doch in Potsdam war der Berliner Wirtschaftsstaatssekretär vor dem Wahlkampf weitgehend unbekannt. Jetzt nimmt er seine Arbeit in der Hauptstadt wieder auf, sagte aber mit Blick auf Potsdam: „Ein Stück meines Herzens gehört dieser Stadt.“
Für die neue Oberbürgermeisterin Noosha Aubel, die im Dezember 50 Jahre alt wird, ist es eine Rückkehr ins Rathaus der Landeshauptstadt. Hier war sie einige Jahre lang bereits Beigeordnete für Bildung, Kultur, Jugend und Sport - bis 2023. Mit ihrem Sieg bei der OB-Wahl wird jetzt ein Posten in der Stadt Flensburg frei, wo Aubel aktuell Stadträtin und Dezernentin ist.
„Wir sind Oberbürgermeisterin“ ließ sich die Gewinnerin auf ein T-Shirt für die Wahlparty am Sonntag drucken. Ihre Anhängerinnen und Anhänger feierten Aubel auch als erste Frau auf dem Posten seit 1984.
Sie präsentierte sich im Wahlkampf bewusst als überparteiliche Bewerberin, wurde aber unter anderem von den Grünen, Die Andere, Volt und dem BfW unterstützt. „Ihre Kompetenz, langjährige Führungserfahrung und ihr einnehmendes Wesen haben schließlich überzeugt“, so die Landes-Grünen. Die SPD hingegen hatte teils Negativ-Campaigning wegen ihrer Grünen-Nähe betrieben und etwa plakatiert: "Verlässlichkeit statt Grüne Experimente". Gebracht hat es offenbar nichts.
„Bin echt geblieben“
Gab es ein Erfolgsrezept? Aubel sagte: „Ich glaube, was sich ausgezahlt hat, ist, dass ich echt geblieben bin, dass ich bei mir geblieben bin, dass die Menschen mich so kennengelernt haben, wie ich bin.“ Sie wolle den Menschen auch nicht alles versprechen. „Es geht nicht immer alles.“ Sie wolle den Bürgerinnen und Bürgern dann aber erklären, warum Dinge auch nicht funktionierten, sagte Aubel.
Auf neue Debatten um ein Sparprogramm für die klamme Landeshauptstadt dürfte die neue Rathauschefin längst eingestellt sein. Priorität will sie dem Thema Wohnraum und bezahlbaren Mieten geben.
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