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Sahraui über Westsahara-Resolution„Das wäre eine Annexion“

Der deutsche Vertreter der sahrauischen Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario kritisiert die UN-Pläne zur Westsahara. Er schlägt etwas anderes vor.

Die Sahrauis kämpfen seit Jahrzehnten um ihr Selbstbestimmungsrecht, wie hier im Land der ehemaligen Kolonialherren, Madrid 2021 Foto: Alejandro Martínez Vélez/picture alliance

taz: Herr Ahmed, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) stimmte am Freitag für eine Resolution, die vorsieht, dass die Westsahara ein autonomer Teil Marokkos wird. Was bedeutet das für die sahrauische Bevölkerung, die indigenen Be­woh­ne­r*in­nen der Westsahara?

Mohamed El Mamun Ahmed: So eindeutig ist die Resolution nicht. Darin heißt es auch, dass jede Lösung für die Westsahara das Selbstbestimmungsrecht des sahrauischen Volkes wahren muss. Das heißt, es gibt keine Lösung ohne das sahrauische Volk.

taz: Sind die Autonomie-Pläne denn in Ihrem Sinne?

Ahmed: Wir sind bereit für den Frieden. Dafür würden wir mit Marokko und der UNO verhandeln. Aber so, wie die Autonomie gerade diskutiert wird, kann es nicht funktionieren.

Bild: privat
Mohamed El Mamun Ahmed

Der Diplomchemiker vertritt die Frente Polisario, die Befreiungsbewegung des sahrauischen Volkes, in Deutschland.

taz: Warum nicht?

Ahmed: Weil der Wille des sahrauischen Volkes nicht ausreichend mitgedacht wird. So umgesetzt, würde die Autonomie der Westsahara nicht zur Entkolonisierung führen. Das wäre eine Annexion.

taz: Wie ließe sich der Konflikt dann lösen?

Ahmed: Es gibt schon seit den 1990er Jahren einen Friedensplan, den die UNO entwickelt und dem wir und Marokko zugestimmt haben. Der ist mit dem Völkerrecht vereinbar und im Übrigen die Grundlage dafür, dass es schon lange keinen wirklichen Krieg mehr in der Westsahara gibt. Dieser Plan sieht ein Referendum vor, in dem das sahrauische Volk selbst entscheidet, wie es leben möchte: als Teil der marokkanischen Bevölkerung, in einer autonomen Region Marokkos oder ganz unabhängig.

taz: Marokko scheint Angst vor den Folgen zu haben …

Ahmed: Dabei haben wir Marokko bereits 2007 zugesichert, dass seine Bür­ge­r*in­nen in der Westsahara bleiben dürften, sollte sich das sahrauische Volk für Unabhängigkeit entscheiden. Und auch, dass wir von Marokko keine Reparationen für die Besatzung der vergangenen Jahrzehnte verlangen würden, haben wir garantiert. Und sogar, dass wir strategisch mit den Marokkanern zusammenarbeiten würden, um gemeinsam von den natürlichen Ressourcen der Westsahara zu profitieren.

taz: Der marokkanische König, auch einige europäische Großmächte wie Spanien oder Frankreich wollen das nicht – auch aus wirtschaftlichen Interessen. Sie sagen, die Autonomielösung wäre die einzig mögliche.

Ahmed: Ein Referendum wäre der einzige demokratische und völkerrechtskonforme Weg, den Konflikt zu lösen. Überhaupt ist es der einzige Weg, in der Westsahara dauerhaft Frieden zu schaffen. Denn wir werden weiter für unser Recht kämpfen.

taz: Und wie geht es jetzt weiter?

Ahmed: Wir erwarten, dass die UNO, ihr Vertreter für die Westsahara und ihr Generalsekretär auf uns zukommen. Sie müssen sich bewegen, um neue Verhandlungen anzuschieben. Wir sind bereit.

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