Salafisten verschenken Korane: Prediger in Flecktarn

Salafisten wollen 25 Millionen Korane verteilen. Das verbieten zu wollen, ist Blödsinn. Auch wenn die Radikalen hinter der Aktion gefährlich sind.

Ein Salafist mit einem Gratis-Koran während einer Verteilaktion in Offenbach am Main. Bild: dapd

Die Salafisten wollen Aufmerksamkeit. Und die haben sie jetzt bekommen. Mit der Forderung, dass die ultrafrommen Islamisten in Fußgängerzonen keine Korane verteilen dürfen, ist die Union ihnen voll in die Falle gelaufen. Denn genauso wenig wie man dem missionarischen Gideonbund das massenhafte Verteilen von Bibeln verbieten kann, kann man jemanden von dem Versuch abhalten, 25 Millionen Exemplare des Koran unters Volk zu bringen.

Das Problem an der Koranverteilaktion ist ja nicht der Koran. Das Problem sind die Verteiler. Und über die muss die Öffentlichkeit tatsächlich mehr erfahren.

Denn hinter der Aktion stehen Salafisten, die selbst innerhalb ihrer reaktionären Splitterbewegung als superradikal gelten. Es sind Prediger der Gruppen „Die Wahre Religion“, „Dawa FFM“ und „Millatu Ibrahim“. Sie propagieren eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, manche rufen sogar zur Gewalt im Namen Gottes auf.

„Jeder Muslim weiß, dass die Christen und die Juden kuffar [Ungläubige, d. Red.] sind“, wettert Ibrahim Abou-Nagie, oberster Organisator der Verteilaktion, in einem Video. „Und wenn sie den Islam nicht annehmen, gehen sie für alle Ewigkeiten in die Hölle.“ Die Todesstrafe für Homosexuelle rechtfertigt Abou-Nagie so: „Wir Muslime müssen uns schützen.“

Ein anderer Prediger aus Abou-Nagies Netzwerk „Die Wahre Religion“ lobpreist in einem Vortrag den Märtyrertod in blumigen Worten. Und er propagiert den bewaffneten Kampf gegen die Nato-Truppen in Afghanistan: „Auf Deutsch heißt es Bundeswehr, bei uns heißt es Dschihad.“

Ebenfalls an der Koranaktion unter dem Motto „Lies! Im Namen deines Herrn“ beteiligt ist der Salafist, der derzeit in Deutschland wohl am offensten Gewalt befürwortet: Mohamed Mahmoud alias Abu Usama al-Gharib, der nach mehreren Jahren Haft in Österreich inzwischen nach Hessen umgezogen ist. In seinen Videos verherrlicht er Selbstmordanschläge und Al-Qaida-Ideologen, zu seinen Propagandareden trägt er gern eine Weste im Flecktarnlook.

Journalisten werden bedroht

Wie radikal die Gruppen sind, die hinter der Koranverteilaktion stecken, hat sich gerade erst noch mal bestätigt. So wurde aus dem Umfeld des Netzwerks ein Video ins Internet gestellt, in dem Journalisten von der Frankfurter Rundschau und vom Tagesspiegel bedroht wurden, die kritisch über salafistische Gruppen berichtet hatten. „Wir besitzen eine Menge an Daten von dir, zum Beispiel wissen wir, wo du wohnst, wir kennen deinen Fußballverein, wir besitzen deine Mobilfunknummer“, hieß es in dem inzwischen wieder aus dem Netz genommenen Clip.

Und trotzdem: Wer glaubt, mit einem Verbot der Koranverteilaktion etwas gegen diese Gruppen unternehmen zu können, wird genau das Gegenteil erreichen. Denn dadurch könnten sich die Salafisten als unterdrückte Opfer darstellen, für die andere Rechte gelten sollen als für Christen. Nein, das Verteilen von „heiligen Schriften“ kann man in einer liberalen Demokratie niemandem verbieten.

Das Kalkül der Salafisten ist leicht zu durchschauen: Hier versucht eine radikale Splittergruppe, die Deutungshoheit über den Islam in Deutschland zu bekommen. Doch auch ihre massive Präsenz im Internet und geschickte PR-Kampagnen ändern nichts daran, dass die Salafisten nur Scheinriesen sind. Sie haben nach wie vor nur wenige tausend Anhänger. Etwa 0,1 bis 0,2 Prozent der rund vier Millionen Muslime werden ihrer radikalen Minderheit hierzulande zugerechnet.

So groß ist die Bedeutung, die den Salafisten auch zukommen sollte, wenn man nicht über konkrete Gefahren, sondern über den Islam in Deutschland generell redet. Höchstens.

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