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Salzgehalt im OzeanKleines Mineral mit großer Wirkung

Salz treibt die großen Umwälzpumpen der Meere an und befördert die globale Wasserzirkulation. Doch der Klimawandel bringt das System durcheinander.

Die Abbruchkante des westgrönländischen Eqi-Gletschers Foto: imago

Federleicht, fast schon schwerelos, durch das türkisblaue Wasser schwimmen – das kennt jeder, der schon Urlaub am Mittelmeer gemacht hat. Dass wir so einfach oben treiben und nicht wie ein Stein untergehen, liegt am Salz. Denn durch das Salz wird das Meerwasser dichter und damit schwerer. Je mehr Salz, desto stärker wird der Auftrieb – eine einfache physikalische Regel. Eine Regel, die uns nicht nur schweben lässt, sondern die auch über unser Wetter in Europa mitbestimmt. Denn der Salzgehalt im Ozean spielt eine entscheidende Rolle für den Golfstrom.

„Der Golfstrom kommt aus den subtropischen Breiten, aus der Karibik, dort haben wir aufgrund starker Verdunstung einen erhöhten Salzgehalt“, erklärt Henning Bauch vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, dem Alfred-Wegener-Institut in Kiel. Wenn der Golfstrom von seinem Namensgeber, dem Golf von Mexiko, entlang der nordamerikanischen Küste fließt und dann nach Nordosten Richtung Europa abbiegt, transportiert er das warme Wasser der Karibik.

Das sorgt für unser mildes Klima in Europa. „Er transportiert natürlich auch das Salz“, sagt Henning Bauch. Dieses warme, salzreiche Oberflächenwasser fließt weiter Richtung Arktis – als sogenannter Nordatlantischer Strom. Durch weitere Verdunstung wird es sogar noch salzreicher, gleichzeitig kühlt es sich immer mehr ab.

Kaltes Wasser hat eine höhere Dichte als warmes Wasser – so wie das Salzwasser im Mittelmeer eine höhere Dichte hat als das Süßwasser eines Sees. Beides ist damit schwerer. Die Folge: Das abgekühlte, salzige Wasser sinkt im Ozean herab. Das kann man sich vorstellen wie Wasserfälle unter Wasser.

„Dieses Wasser, das heruntersinkt, sogenanntes Tiefenwasser, fließt dann südlich zurück in den Nordatlantik“, führt Bauch weiter aus. Dadurch entsteht ein Sog, und in der Folge wirkt dieser Prozess wie „eine große, natürliche Umwälzpumpe, die maßgeblich die globale Ozeanzirkulation bestimmt“.

Die Pumpe wurde während der letzten Eiszeit gestört

Als Paläo-Klimatologe rekonstruiert Henning Bauch das Klimageschehen der Vergangenheit, um daraus für die Welt von morgen zu lernen. So schaute er sich an, wann diese natürliche Pumpe das letzte Mal gestört wurde.

„Das war am Ende der letzten großen Eiszeit: Durch das Abschmelzen der Eismassen an Land ist viel Süßwasser in den Ozean zurückgeflossen. Weil Süßwasser leichter ist, schwimmt es oben und hat damit die Oberflächenströmung des Ozeanwassers mit seinem hohen Salzgehalt gestört. Und das hat für klimatische Turbulenzen gesorgt.“

Das war vor 20.000 Jahren. Wir befinden uns heute nicht in einer Eiszeit, aber dennoch haben wir es auch heute mit einem Abschmelzen zu tun. Die Klimaforschenden sind sich einig, dass durch den Klimawandel die Eisschilde Grönlands und der Antarktis zunehmend schmelzen, jedes Jahr um fast 200 Kubikkilometer.

Damit strömt, wie beim Abschmelzen der Gletscher der letzten Eiszeit, deutlich mehr Süßwasser in das Meer vor Grönland. In einem wärmeren Klima nimmt auch der Niederschlag im Norden zu, wodurch noch mehr Süßwasser in die Ozeane gelangt.

Das ändert dann wieder den Salzgehalt: Das Oberflächenwasser wird leichter, sinkt nicht mehr so einfach nach unten. „Mehr Süßwasser in solchen kritischen Gebieten, die Tiefenwasser produzieren und damit Teil der Ozeanzirkulation sind, kann zu einer Reduzierung der Wirksamkeit der Umwälzpumpe führen und somit zu einer spürbaren Veränderung unseres Klimas“, erklärt Henning Bauch.

Heute können Forschende beobachten, dass sich die natürliche Pumpe des Golfstroms abgeschwächt hat. Laut Berechnungen des Deutschen Klima-Konsortiums könnte sie bis zum Jahr 2100 an 40 Prozent ihrer Sogkraft verlieren, wenn bis dahin die weltweiten Emissionen nicht drastisch gesenkt werden.

Auswirkungen auf der ganzen Welt

Einen kompletten Kollaps schließen die Forschenden mittlerweile zwar aus, aber schon ein Abschwächen wird überall auf der Welt große Auswirkungen haben: In Europa würde es deutlich kühler werden mit häufigeren Extremwettereignissen, in Südamerika und Afrika würden Niederschläge zunehmen, der Monsun in Asien würde sich verändern und in den USA würde es zu Überschwemmungen und stärkeren Hurrikans kommen.

Überflutungen müssen Küstengebiete weltweit schon allein aufgrund des Anstiegs des Meeresspiegels fürchten. Der steigt nicht nur durch das Abschmelzen der Gletscher, sondern auch, weil sich wärmeres Ozeanwasser ausdehnt und dadurch ein größeres Volumen hat. Bis zum Jahr 2100 könnte der Meeresspiegel um bis zu zwei Meter ansteigen, wenn die Weltgemeinschaft bis dahin weiterhin so viel emittiert wie aktuell. Doch das Problem dabei ist nicht allein die Überflutung ganzer Städte und Inseln. Auch das Salz rückt immer weiter vor.

Darauf macht eine Forschungsgruppe vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa aufmerksam. Die Forschenden analysierten Satellitenaufnahmen von Flüssen und Küstenlinien weltweit und berechneten mit Klimamodellen des Weltklimarates IPCC, inwieweit der Meeresspiegelanstieg die Übergangszone zwischen Salz- und Süßwasser verschieben wird.

Normalerweise befinden sich beide nämlich im Gleichgewicht. „Das kann man sich wie eine Wippe vorstellen“, erklärt Kyra Adams, die Teil des Nasa-Forschungsteams ist. Das salzige Meerwasser drängt landeinwärts, weil es durch seine höhere Dichte schwerer ist und so das leichtere Süßwasser an Land verdrängt. „Wenn es regnet, haben wir mehr Süßwasser, das sich ausbreiten und gegen das Eindringen von Salzwasser ankämpfen kann“, so die Forscherin.

In Thailand etwa, wo es viel regnet, kann das Süßwasser genug Druck ausüben, damit das Salzwasser nicht eindringen kann. „Wenn wir jedoch aufgrund des Meeresspiegelanstiegs mehr Meer haben, erhöht sich der Druck von außen“, erklärt Adams.

Dadurch wird sich die Übergangszone von Salz- zu Süßwasser in einem Großteil der weltweiten Gebiete um durchschnittlich über 200 Meter landeinwärts verschieben, besonders an flachen Küsten wie in Südostasien, am Golf von Mexiko und der US-Ostküste. Dort, wo es schon jetzt wenig regnet, wie auf der Arabischen Halbinsel und in Australien, könnte sich der Übergang sogar um bis zu 1.200 Meter landeinwärts schieben.

Mehr als die Hälfte der Menschen lebt an der Küste

Drei von vier der Küstengebiete, die Kyra Adams’ Team untersucht hat, hätten dadurch versalzenes Grundwasser. „Es wäre kontaminiert und wir könnten es nicht mehr trinken. Dabei lebt über die Hälfte der Weltbevölkerung in Küstennähe“, warnt Adams. Schrumpfen die Süßwasserreserven, hätten auch Industrie und Landwirtschaft weniger Wasser zur Verfügung.

„Wir haben auch sehr wichtige, kritische Umweltzonen in Küstengebieten“, meint die Forscherin weiter. „Bäume nehmen das Salzwasser über ihre Wurzeln auf, sie werden weiß und sterben ab.“ Das kann schon fast gespenstisch aussehen, „Geisterwälder“ werden die toten Bäume deshalb auch genannt. Und die gibt es schon heute, „häufig an Orten, die sehr tief liegen, wie zum Beispiel Delaware und Maryland in den USA“, sagt Adams.

„Es gibt auch Feuchtgebiete, die komplett zusammenbrechen. Alles, was eigentlich feucht und brackig sein sollte, ist dann voll mit Salz, sodass die Vegetation damit nicht mehr mithalten kann“. So sterben ganze Ökosysteme, die dann auch kein schädliches CO2 mehr aufnehmen können.

Das salzhaltige Wasser greift aber auch die Infrastruktur an und beschädigt Gebäudefundamente, Abwasserkanäle und Rohrleitungen, besonders an dicht besiedelten Küsten wäre das ein Problem. „Solche Dinge sieht man aber erst, wenn es zu spät ist“, meint Kyra Adams. Die Dringlichkeit sei also schwer zu erkennen, aber sie sei da.

Deshalb hat sie ein Modell entwickelt, einen Open-Source-Code, den man mit den Daten aus einer bestimmten Region füttern kann. So kann eine Küstenregion ihren eigenen Anpassungsplan entwickeln und das sei schließlich ihre Aufgabe, meint Adams. Dabei müsse jede Region herausfinden, welches Problem überwiege.

„Wenn Sie bereits untergehen, dann muss man nicht über Versalzung nachdenken“, sagt Adams. Dann muss die Priorität der Küstenschutz sein, also beispielsweise Deiche zu bauen und Wasserwege an Land zu verändern. Wenn aber die Versalzung der größte Treiber ist, „dann sollte erst einmal sichergestellt werden, dass das küstennahe Grundwasser geschützt wird“. Zum Beispiel könnte es weiter landeinwärts gepumpt werden. Generell sollte der Verbrauch von Grundwasser reduziert und in regenreichen Zeiten könnten Reserven für trockenere Perioden angelegt werden.

Vor allem sei es wichtig, das Eindringen des Salzwassers kontinuierlich zu überwachen. Es sollte festgelegt werden, bis zu welchem Punkt an einer Küste sich das Salzwasser nähern darf und ab wann es kritisch wird – für Mensch und Natur.

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