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Sanae Takaichi wird PremierministerinJapan rückt nach rechts – trotz Frau an der Spitze

Martin Fritz

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Martin Fritz

Japan wird erstmals von einer Frau regiert. Eine progressivere Politik wird daraus nicht folgen – Sanae Takaichi setzt auf rechte Migrationspolitik.

Neue japanische Premierministerin Sanae Takaichi: Die Politikvereinbarung mit Koalitionspartner JIP lässt Schlimmes befürchten Foto: Kim Kyung-Hoon/Reuters

D ie gute Nachricht zuerst: Japan hat erstmals seit Einführung des heutigen Kabinettsystems vor 140 Jahren eine Frau zur Premierministerin gewählt – ein wichtiges Signal gegen die Dominanz der alten Männer, die im Hinterzimmer ihre Politstrippen ziehen. Sanae Takaichi brauchte diese alten Männer, um die Bambusdecke für Frauen zu durchbrechen. Nun wird sich zeigen, ob ihre ultranationalistischen Aussagen auf echten Überzeugungen beruhen oder nur dazu dienten, von den Männern als ihresgleichen akzeptiert zu werden. Womöglich fällt Takaichi eine Mäßigung leicht, zumal ihre neue Koalition mit der Erneuerungspartei Japans (JIP) über keine eigene Mehrheit verfügt.

Die schlechte Nachricht: Die LDP hat Takaichi vor allem auf den Schild gehoben, um den Aufstieg von Rechtspopulisten zu stoppen. Die Sansei-Partei zog bei der Wahl im Juli mit dem Slogan „Japaner zuerst“ viele LDP-Wähler an. Daher ist die Versuchung für Takaichi groß, mit scharfen Tönen gegen Ausländer der Sansei-Partei das Wasser abzugraben. Die Politikvereinbarung mit der JIP lässt Schlimmes befürchten. Neben „strikten Maßnahmen“ bei Verstößen gegen Regeln und Gesetze soll ein „Hauptquartier gegen den Bevölkerungsrückgang“ bis Anfang 2027 „numerische Ziele“ für die Aufnahme von Ausländern festlegen. Das Hauptkriterium sind „mögliche soziale Spannungen“. In diesem Kontext richtete Takaichi im neuen Kabinett erstmals ein Ministeramt für Migration ein.

Der vorige Premier Shigeru Ishiba hatte noch betont, es sei Aufgabe des Staates, die zugewanderten Ausländer zu integrieren. Doch die Regierung von Takaichi betrachtet Ausländer offensichtlich nicht mehr positiv als dringend benötigte Arbeitskräfte, die Japans Wirtschaft und Wohlstand stützen, sondern negativ als Quelle sozialer Unruhe. Damit stützt Takaichi faktisch falsche Vorurteile gegen Ausländer – etwa, dass sie mehr Straftaten begehen oder mehr Verkehrsunfälle verursachen – und bereitet Japans kleiner, aber lautstarker Gruppe von rassistischen Online-Hetzern das Feld.

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Martin Fritz
Auslandskorrespondent Japan/Südkorea
Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.
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