Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger: Junge trifft es am härtesten

Wer als Hartz-IV-Bezieher mehrfach eine Arbeit ablehnt, dem kann das Jobcenter den kompletten Regelsatz von 374 Euro streichen. Jugendlichen kann das besonders schnell passieren.

Kein Grund zum Lachen hat, wer dem „wenig treffsicheren“ Sanktionssystem unterliegt. Bild: madochab / photocase.com

BERLIN taz | Jobcenter verfügen über viele Möglichkeiten, um Hartz-IV-BezieherInnen zu disziplinieren. Wenn erwachsene Arbeitslose ohne Begründung eine zumutbare Arbeit, eine Ausbildung oder eine der zahlreichen Maßnahmen des Jobcenters ablehnen oder abbrechen, können ihnen für drei Monate 30 Prozent der Hartz-IV-Regelleistung (374 Euro/Monat) gekürzt werden. Das gilt auch, wenn ein Arbeitsloser weniger Bewerbungen schreibt, als mit dem Jobcenter vereinbart. Bei wiederholter „Pflichtverletzung“ sind Kürzungen um 60 oder 100 Prozent möglich. Erscheint man unentschuldigt nicht zu einem Termin im Jobcenter, kann das Geld um 10 Prozent gekürzt werden.

Für unter 25-Jährige gelten deutlich schärfere Sanktionsmöglichkeiten. Ihnen kann der Regelsatz bereits bei der ersten Pflichtverletzung vollständig gestrichen werden, beim zweiten Mal können auch die Unterkunftskosten ausgesetzt werden.

Diese Praxis stößt bei der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe auf scharfe Kritik. „Wir beobachten, dass mehr unter 25-Jährige in den letzten Jahren obdachlos geworden sind. Das liegt auch daran, dass ihnen die Leistungen für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter gestrichen werden“, sagte Verena Rossenke, stellvertretende Geschäftsführerin der BAG zur taz. Sie fordert die Abschaffung des Sanktionssystems.

Auffällig ist auch, dass Jugendliche deutlich häufiger vom Jobcenter bestraft werden als Erwachsene: 2011 wurden 11,4 Prozent der erwerbsfähigen unter 25-Jährigen sanktioniert. Für alle Personen bis 65 Jahre liegt die Quote bei 4,5 Prozent.

Der Ökonom Ingmar Kumpmann kritisierte deswegen das Sanktionssystem bereits 2009 in einer Studie für das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle als „wenig treffsicher“. Daran habe sich bis heute nichts geändert, so Kumpmann am Mittwoch. „Die Sanktionen treffen oft die Falschen und sind in jedem Fall unverhältnismäßig hart.“ Das sehe man auch daran, dass gerade junge Arbeitslose eine wesentlich höhere Arbeitsbereitschaft hätten als über 55-Jährige. Das hätten Daten des Sozio-ökonomischen Panels gezeigt.

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