Satellitengestützte Kontrollsoftware: WWF jagt Piratenfischer

Umweltschützer werfen der EU vor, zu wenig gegen illegale Fischer zu unternehmen. Der WWF hat eine Software entwickelt, mit der er selbst zur Tat schreitet.

Bleiben von der Kontrollsoftware des WWF vorläufig unbehelligt: kleine Fischereibetriebe auf dem Darß Bild: dapd

BERLIN taz | Jeder fünfte Fisch, der weltweit gegessen wird, wurde nach Expertenschätzungen illegal gefangen. Dagegen will jetzt der Worldwide Fund for Nature (WWF) etwas unternehmen – weil die Politik viel zu lasch gegen diese Piratenfischerei vorgehe, sagt Alfred Schumm, WWF-Fischfang-Experte. Er will mit einer eigenen Überwachungssoftware zeigen, wie illegale Fischer aufgespürt werden können.

Mit der Software lassen sich alle großen Fischerboote verfolgen, weltweit rund 27.000. Die Umweltschützer nutzen das von der internationalen Schifffahrtsorganisation vorgeschriebene Automatic Identification System (AIS), das Zusammenstöße verhindern soll und dafür GPS-Daten an Satelliten sendet. „Wir können jetzt genau sagen, wer wann wo gefischt hat“, sagt Schumm.

„Für die Politik kann es durch unser System keine Ausreden mehr geben, Kontrolle sei technisch nicht möglich“, sagt die WWF-Expertin für EU-Fischereipolitik, Karoline Schacht. In der EU wird derzeit die Fischereipolitik für die nächsten zehn Jahre verhandelt. Fischereikommissarin Maria Damanaki drängt dabei auf eine entschiedeneres Vorgehen gegen die Fangpiraten, etwa durch mehr Geld für die Kontrollbehörden – das aber von den Ländern aufgebracht werden müsste.

Ein Kommissionssprecher sagte, die WWF-Technik sei wichtig und könne den Verhandlungsprozess beeinflussen. Etwas Bewegung gibt es: Ausgerechnet die fischereifreundlichen Portugiesen hätten schon Interesse angemeldet, das Überwachungssystem für Kontrollen einzusetzen, sagt Schacht.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kriminell

Dass die Software der Umweltschützer gerichtsfeste Beweise liefern könnte, bezweifelt Christopher Zimmermann, Stellvertretender Leiter des Instituts für Ostseefischerei in Rostock. Ansonsten halte er das aber für „einen interessanten Ansatz mit einigem Potenzial“.

Gerichtsfest oder nicht, was die Software zeige, seien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kriminelle Machenschaften, sagt WWF-Experte Schumm. Das illegale Verladen von einem Boot aufs andere, um die Herkunft zu verschleiern, könne man ebenso aufspüren wie diejenigen, die ihr AIS-Gerät verbotenerweise eine Zeit lang ausschalten oder eine falsche Identifikationsnummer benutzen.

Fischer jagen von daheim

Bis zu 17 Milliarden Euro Umsatz werden pro Jahr mit illegal gefangenem Fisch gemacht, schätzt Schumm. Der „Bankrott der Ozeane“ rücke deshalb immer näher. Verhindern könnten ihn Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Die Software soll im Web öffentlich zugänglich sein – theoretisch kann so jeder am heimischen Rechner nach illegalen Fischern jagen. Wenn erst mal klar sei, wer zu den schwarzen Schafen gehöre, werde die Industrie diese nach und nach selbst aussortieren, hofft Schumm. Der WWF arbeitet deswegen in einer „Smart Fishing Initiative“ eng mit Fängern und Verarbeitern zusammen.

Über 70 Prozent aller Thunfischdosen stammten deshalb inzwischen von Unternehmen, die sich zu nachhaltigem Fang verpflichtet hätten. Der Verband der europäischen Fischverarbeiter teilte auf taz-Anfrage mit, man begrüße es ausdrücklich, wenn die EU im Kampf gegen illegalen Fischfang vorangehe. Dafür müsse es aber auch mehr Aufpasser geben. Er fordert, dass die EU die AIS-Überwachung auch für kleine Schiffe zur Pflicht macht und besser kontrolliert.

Bisher nahm der WWF mit seiner Software den Hafen auf Gran Canaria unter die Lupe, wo etwa 10 Prozent des gesamten EU-Fischfangs anlanden. Fast alle Boote haben offenbar vor Westafrika gefischt. Illegale Fischer ließen sich kaum aufspüren, weil es in Gran Canaria gerade mal 2,5 Planstellen für Kontrollen gebe, in den bettelarme Küstenstaaten noch viel weniger, sagt Harald Schumm. Dass die lokalen Fischer in den Ruin getrieben würden, sei nur ein Problem. Der übersättigten Westen nehme den hungergeplagten Ländern auch eine lebensnotwendige Eiweißquelle weg. Rund 80 Prozent aller Fische werden in den Industrieländern verzehrt.

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