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Saubere SeeschifffahrtDicke Luft durch dicke Pötte

Autos haben Katalysatoren, die weltweite Seeschifffahrt setzt auf „Scrubber“, um das Umweltproblem ihrer Abgase zu lösen. Doch die haben Tücken.

Nicht ganz sauber: Fähre im Hafen von Bastia auf Korsika Foto: Frédéric Soltan/getty images

Hamburg taz | Die Schifffahrtsbranche hat sich im Vergleich zu anderen Industrien ein durchaus ehrgeiziges Klimaziel gesteckt: Bis spätestens zum Jahr 2050 will die maritime Wirtschaft Netto-Null-Emissionen erreichen und sauber fahren. Das sagt zumindest ihre oberste Interessenvertretung, die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO in London. Doch der Weg dahin ist weit. Dies zeigt eine neue Studie des Umweltbundesamtes zu Luftschadstoffen, die Seeschiffe ausstoßen.

Die Schifffahrt ist für etwa 3 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Container- und Frachtschiffe transportieren mehr als 90 Prozent des grenzüberschreitenden Handels – die Globalisierung benötigt die maritime Wirtschaft. Der internationale Handel ändert sich zwar durch die neue Geopolitik.

Aber er zieht weiter an: So gab es einen kleinen Einbruch wegen der US-Zollpolitik im Frühjahr, aber im Juli stieg die Zahl der weltweit umgeschlagenen Container schon wieder an. Dabei lahmte der Import in die Vereinigten Staaten, aber es gab mehr Handel zwischen den anderen – Asien, Europa und Amerika. Weltweit nehmen zudem die durchschnittlichen Entfernungen von Transporten nicht ab, sondern immer weiter zu.

Nun sollen in der Schifffahrt vor allem die gesundheitsschädlichen schwefelhaltigen Partikel­emissionen aus der Kraftstoffverbrennung verringert werden. Der globale Schwefelgrenzwert für Schiffsabgase liegt seit 2020 bei 0,5 Prozent. In den sogenannten Schwefel-Emissionskontrollgebieten der Nord- und Ostsee liegt er sogar nur bei 0,1 Prozent. Um das Ziel zu erreichen, setzen viele Reedereien auf sogenannte Scrubber, eine Art Katalysator, wie er in Autos eingebaut ist. Scrubber sind eine Technik zur Abgasreinigung, bei der Wasser im Abgasstrom versprüht wird, um Schwefeloxid (SOx), Feinstaub und Stickoxide zu entfernen.

Über 5.000 Scrubber in Schiffen weltweit

Die Anzahl der Schiffe mit Scrubber steigt weltweit seit Jahren stark an. In der Studie des Umweltbundesamtes steht, dass Anfang 2025 „deutlich über 5.000“ solcher Schiffskatalysatoren im Einsatz waren – was einem Drittel der aktuellen Welthandelsflotte entspricht. Die Flotte wächst allerdings rasant. Im vergangenen Jahr bestellten Reedereien und Investoren laut dem deutschen Werftenverband VSM so viel Schiffsraum wie noch nie.

Viele dieser neugebauten Schiffe werden allerdings mit Antriebssystemen ausgestattet, die nicht allein mit schmutzigem Schweröl oder Schiffsdiesel fahren können, sondern auch mit schwefelarmen Biokraftstoffen. Sie punkten zudem damit, dass sie weniger andere Schadstoffe enthalten – sind aber teuer und selten. „Die Debatte zur Reduktion des Schwefels zeigt ein grundlegendes Dilemma“, sagt Schifffahrtsexperte und Ökonom Rudolf Hickel zur taz. Das technisch Machbare scheitere am wirtschaftlichen Wettbewerb. Und an den Rahmenbedingungen.

Der komplette Verzicht auf Schwerkraftstoffe sei derzeit politisch nicht durchzusetzen, so Hickel. Schadstoffärmere Kraftstoffe wie Flüssigerdgas (LNG), Methanol oder Wasserstoff sind nicht nur vergleichsweise teuer, sie sind vor allem in den benötigten Mengen und in den allermeisten Häfen nicht verfügbar.

„Um im Kampf gegen die Klimakrise weiterzukommen, bieten sich Übergangstechniken wie der Einsatz von Scrubber-Systemen an“, ist Hickel überzeugt. „Da diese Säuberungstechnik gegenüber dem heutigen Zustand für die Umwelt Verbesserungen bringt, ist deren vorübergehende Nutzung unvermeidbar.“ Dabei hat die maritime Wirtschaft noch ein besonderes Problem: das Alter der meisten dicken Pötte. Große Seeschiffe haben eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa 30 Jahren und fahren somit im Zweifelsfall lange mit ihren umweltschädlichen Motoren.

Auch das Umweltbundesamt spricht sich für die Nutzung von Scrubbern als Übergangstechnik aus. Damit konnte bisher das Ziel, die Luftschadstoffemissionen der Seeschiffe zu senken, „immerhin teilweise erreicht werden“, heißt es in der Studie. Doch das hat seinen Preis: Scrubber-Systeme leiten durch ihren Betrieb große Mengen Abwasser in Meere und Hafengebiete ein. In der Ostsee landeten beispielsweise im Jahr 2022 rund 300 Millionen Kubikmeter Scrubber-Abwasser.

Fachleute fordern Einleitungsverbote

Scrubber mit einem geschlossen Wasserkreislauf existieren kaum, kritisieren Umweltverbände. Katharina Koppe und Ulrike Pirntke vom Umweltbundesamt, die Autorinnen der Studie, weisen auf Risiken der gängigen Scrubber hin: Die Umweltbelastung der ohnehin stark verschmutzten Meere sei durch die großen Volumina des eingeleiteten Abwassers und deren Schadstofffracht „erheblich“.

Da ein komplettes Verbot für Scrubber-Systeme bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation auf absehbare Zeit keine Mehrheiten finden werde, sollten zeitnah Einleitungsverbote wenigstens für bestimmte Gebiete eingerichtet werden, schlagen Koppe und Pirntke vor. Tatsächlich gibt es erste Erfolge.

So haben im Juni ein Dutzend Anrainerstaaten des Nordost-Atlantiks, darunter Deutschland und Großbritannien, Einleitungsverbote für Häfen und Küstengewässer ab 2029 beschlossen. Staaten und Seefahrt, mahnt Hickel, dürften aber bei der Nutzung der Scrubber-Übergangstechnologie nicht stehen bleiben.

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