Saudischer Journalist in Istanbul: Im Konsulat verschwunden

Er wollte Hochzeitsunterlagen besorgen. Seitdem fehlt von dem saudischen Regierungskritiker Jamal Khashoggi jede Spur.

Porträt Khashoggi

Spurlos verschwunden: Jamal Khashoggi Foto: ap

BERLIN taz | Er ging hinein und kam nicht wieder heraus. Das jedenfalls behaupten Freunde und Beobachter, nachdem Jamal Khashoggi am Dienstag das saudische Konsulat in Istanbul betrat. Seitdem ist der prominente saudische Journalist spurlos verschwunden.

Eigentlich wollte Khashoggi, der mit einer Türkin verlobt ist, Unterlagen für die gemeinsame Hochzeit besorgen. Nun wird befürchtet, dass die saudischen Behörden den Regierungskritiker aus politischen Gründen festgenommen haben.

Khashoggis Verlobte, die ihn bei dem Behördengang begleitete, aber vor dem Konsulat wartete, sah ihn jedenfalls nicht wieder. Auch der mit Khashoggi befreundete türkische Journalist Turan Kışlakçı sagte, Khashoggi habe das Konsulat am frühen Dienstagnachmittag betreten, sei aber nicht mehr herausgekommen. Dies berichtete die Deutsche Presseagentur. Die saudischen Behörden erklärten am Donnerstag dagegen, Khashoggi habe das Konsulat verlassen, bevor er verschwunden sei.

Khashoggi ist ein Schwergewicht in der saudischen und arabischen Medienlandschaft. Seit vergangenem Jahr lebte der 59-Jährige allerdings im Ausland, unter anderem in den USA. Zuletzt schrieb er regelmäßige Meinungsbeiträge für die Washington Post auf Englisch und Arabisch, in denen er auch den umstrittenen Kronprinzen Muhammad bin Salman kritisierte.

Gute Beziehungen zur Königsfamilie

Khashoggis Karriere war stets eine Gratwanderung zwischen Regimekritik und Loyalität gegenüber den saudischen Machthabern. Er arbeitete für mehrere staatsnahe saudische Zeitungen, zeichnete sich aber durch seinen liberalen Kurs aus. Bekannt geworden war er unter anderem durch Interviews, die er in den achtziger und neunziger Jahren mit Osama bin Ladin führte.

In den nuller Jahren war Khashoggi Chefredakteur der reformorientierten saudischen Tageszeitung al-Watan, wurde aber 2003 nach wenigen Wochen im Amt vom Informationsministerium wieder abgesetzt. 2007 übernahm er den Posten erneut und hielt sich diesmal mehrere Jahre.

Al-Watan zeichnete sich durch liberale, teils provokative Debatten aus, sprach sich deutlich für ein gemäßigtes Islamverständnis aus und trat für gesellschaftliche Reformen ein, etwa für die Wiederzulassung von Kinos in Saudi-Arabien. Politisch und finanziell unterstützt wurde die Zeitung vom mächtigen Gouverneur der Provinz Mekka, Prinz Khalid al-Faisal.

Mit dem Prinzen pflegte Khashoggi gute Beziehungen. Als nach einer Flutkatastrophe, bei der 2009 mehr als hundert Menschen getötet wurden, eine Debatte über Korruption in der Landespolitik entstand, verteidigte Khashoggi den Gouverneur vehement und sprach ihn von jeglicher Verantwortung frei.

Washington Post

„Es wäre empörend, wenn er wegen seiner Arbeit als Journalist festgehalten würde.“

Im vergangenen Jahr verließ Khashoggi Saudi-Arabien jedoch und erklärte, er sei ins Exil gegangen. In seinen Beiträgen für die Washington Post kritisierte er den Kurs des saudischen Verteidigungsministers Muhammad bin Salman. Khashoggi sprach sich gegen den Krieg Saudi-Arabiens im Jemen aus und setzte sich für politische Gefangene in Saudi-Arabien ein.

Die Washington Post erklärte nach dem Verschwinden Khashoggis: „Es wäre unfair und empörend, wenn er wegen seiner Arbeit als Journalist und Kommentator festgehalten würde.“

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