Schach-WM Carlsen gegen Anand: Mit Plan gegen den Peiniger

2013 konnte Vishy Anand keine der 10 WM-Partien gegen Magnus Carlsen gewinnen. Als Herausforderer gelang ihm bisher ein Sieg.

Dramatische Lichtstimmung in Sotschi: Im Jahr 2014 präsentiert sich auch Schach als perfekt inszeniertes Event. Bild: ap

Für Viswanathan Anand ist es ein Befreiungsschlag gewesen: 1.462 Tage musste der Inder warten, bis er wieder einen Sieg über Magnus Carlsen feiern durfte. Bei der WM im russischen Sotschi bezwang der Herausforderer nach mehr als vier Jahren den Norweger in der dritten Partie. Die vierte remisierte er am Mittwochabend mit Schwarz. Carlsen wiederholte mit einem Dauerschach im 47. Zug die Stellung. Nach einem Drittel der maximal zwölf Begegnungen steht es somit 2:2. Die Partie am Freitag läuft aktuell.

„Zum ersten Mal fühlt es sich nach 15 Partien wie ein richtiges Match an“, twitterte der amerikanische Weltranglistenneunte Hikaru Nakamura mit Blick auf die WM-Revanche für 2013. „Ein enorm wichtiger Sieg für Vishy“, ergänzte Chefkommentator und Topgroßmeister Peter Swidler vor Ort in der Olympiastadt. Vor Jahresfrist im November hatte Carlsen als Herausforderer Anand in dessen Heimatstadt Chennai deklassiert und sich ohne Niederlage mit 6,5:3,5 zum neuen Weltmeister gekrönt. Der Titelverteidiger spielte ängstlich und verteidigte nur ein paar Remis.

Nun präsentierte sich der Inder deutlich mutiger. Nach der Niederlage in Runde zwei, die bei seinen Fans schon wieder ungute Erinnerungen aufkommen ließ, zeigte sich der 44-Jährige exzellent vorbereitet. Er spulte eine bekannte Variante herunter, opferte einen Bauern und stieß dafür einen weißen Freibauern bereits im 14. Zug bis auf das Feld c7 vor. Dort störte er kurz vor dem Umwandlungsfeld zur Dame die schwarzen Kräfte empfindlich.

Anand hatte diese Position mit seinen Sekundanten und dem Computer weit genauer im Vorfeld analysiert als sein Kontrahent. Eine neue Idee im 20. Zug brachte Carlsen, der die Stellung nach eigener Einschätzung nicht tief genug vorbereitet hatte, vollends aus dem Konzept.

„Meine Eröffnungswahl war kläglich“

„Alles lief von Beginn an schief. Meine Eröffnungswahl war kläglich. Ich war echt überrascht und hatte keine Chance. Das war beschissen“, fluchte der 23-Jährige, und zum ersten Mal brachte er auch seine Anerkennung für den Gegner zum Ausdruck: „Vishy spielte sehr gut.“ Anand hörte es gern und lächelte, während sich sein bisheriger Peiniger selbst zerfleischte. Nach der vierten Partie klang er ebenso zufrieden: „Ich machte mir nie Sorgen, außer als ich im 41. Zug den Damenzug nach d2 finden musste.“

Den Rollentausch mit dem Weltranglistenersten hatte Anand im Vorfeld des mit 1,5 Millionen Dollar dotierten Zweikampfs akribisch vorbereitet. Aus seiner schwachen wie mutlosen Vorstellung in Chennai zog er die richtigen Schlüsse – und seine Spielfreude hatte er ohnehin schon vor dem Kandidatenturnier, das der Weltranglistensechste gewann, wiedergefunden. „Ich habe Lust, wieder zu spielen“, betonte der Herausforderer mehrfach in Interviews.

Der Italiener Fabiano Caruana, der als Weltranglistenzweiter zuletzt als Einziger in den Bereich astronomischer Ratingzahlen des Weltmeisters vorstieß, sieht die Spannung in den Zweikampf zurückkehren. Via Twitter kommentierte Caruana: „Anand musste gewinnen – und er legte Carlsens Schwachstelle bloß.“ Ungeachtet der Aufregung bleibt der Norweger gewohnt kühl. „In so einem Match solltest du auf Siege oder Niederlagen nicht überreagieren“, erklärt der junge Weltmeister, „das Duell geht weiter, und ich gebe mein Bestes in den nächsten Partien. Die letzten zwei Begegnungen waren schlecht von mir, ich muss mich steigern.“

Sarkastisch ergänzte er auf die Frage nach dem Unterschied zwischen diesem und dem letzten WM-Match: „In Chennai stand es nach vier Runden auch 2:2 – hier ist es genauso.“ Wenn man das Ganze nur mathematisch betrachtet, hat Carlsen zweifellos recht. Emotional dürfte Anand aber durch den Erfolg gewiss gestärkt in die nächsten Duelle hineingehen.

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