Schach-WM in Moskau: Wo Hochgeschwindigkeitszüge stocken

Der Inder Viswanathan Anand bleibt Schachweltmeister. Als bester Denksportler der Welt gilt er nicht mehr. Spätestens in zwei Jahren dürfte ihn eine neue Generation ablösen.

Hatte das Glück des „schnellen Brüters“ auf dem Schachbrett: Weltmeister Viswanathan Anand. Bild: dpa

BADEN-BADEN taz | Mit der Zukunft wollte sich Viswanathan Anand nicht beschäftigen. Erst einmal gedachte der Schach-Weltmeister seine „glückliche“ Titelverteidigung in der Verlängerung „zu genießen“. Der Inder hatte beim 6:6 gegen Boris Gelfand nicht mehr den Biss seiner drei Weltmeisterschaften seit 2007.

Dank seiner herausragenden Qualitäten als Schnellschach-Spieler schaffte es der 42-Jährige in Moskau indes, seine Regentschaft mit einem 2,5:1,5 nochmals zu strecken. Bei der WM 2014 dürfte den „schnellen Brüter“ aber eine neue Generation ablösen.

In der Weltrangliste hat ihn ein Trio längst überholt: Der 21-jährige Magnus Carlsen gilt als Kronprinz. Wenn nicht der geniale Norweger auf den Thron folgt, dann wohl der in Berlin lebende Armenier Lewon Aronjan (29). Der Russe Wladimir Kramnik (36) wirkte zuletzt auch weit inspirierter als Anand, der in der Weltrangliste auf Platz vier abrutschte.

Der 43-jährige Gelfand darf dennoch zufrieden sein. Mit rund 1,15 der 2,55 Millionen US-Dollar sicherte sich der Weltranglisten-20. zum einen das größte Preisgeld seiner Karriere. Der Außenseiter verdiente sich zum anderen den Respekt durch couragierte Auftritte.

Kürzeste Niederlage seit 1886

„Es war sehr eng“, räumte Anand unumwunden ein und schob nach, „als kritischen Moment sehe ich meine Niederlage in Runde sieben. Da dachte ich, dass ich das Match vergeigt habe. Der direkte Ausgleich tags darauf war für meine Moral sehr wichtig.“ Bei der kürzesten Niederlage in der WM-Geschichte seit 1886 unterlief Gelfand der einzige Patzer. Er gab nach nur 17 Zügen auf.

Selbst im aufregenden Schnellschach mit 25 Minuten Grundbedenkzeit sah der gebürtige Weißrusse „im Stechen Vorteile für mich“. Sein Problem bestand schlicht darin, einem blitzschnell ziehenden Anand gegenüberzusitzen. Der zum Grübeln neigende Gelfand konnte kaum dessen Bedenkzeit nutzen.

„In den Schnellschach-Partien zwei, drei und vier hatte ich teilweise enormen Vorteil, konnte aber wegen der Zeit nicht die besten Züge finden“, analysierte der Verlierer. Mit seinem Sieg in der zweiten Schnellschach-Partie und drei Remis verteidigte Anand den Titel.

„Enormes Interesse daheim“

Doch auch der Vizeweltmeister gewinnt dem Match Positives ab. Der seit 14 Jahren in Israel lebende Gelfand wird Schach nicht zum Nationalsport wie Anand in Indien machen können, dennoch stellt der Unterlegene fest: „Das Interesse daheim war enorm.

Ich hoffe, Schach bekommt jetzt einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Wir verloren Generation auf Generation, weil dem Nachwuchs gesagt wurde, er solle sein Talent nicht vergeuden.“ Ein Umdenken wäre für Gelfand fast so ein großer Erfolg wie der Titelgewinn.

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