Schach-WM: Ein Comeback scheint schwer

Magnus Carlsen zeigt einen stümperhaften Zug und gewinnt dennoch Partie sechs gegen Viswanathan Anand. Ob Anand sich davon erholen kann?

Hatte Mühe, sein Pokerface zu wahren: Magnus Carlsen (r.). Bild: dpa

„Wenn man kein Geschenk erwartet, schaust du auch nicht danach!“ Viswanathan Anand flüchtete sich in Fatalismus nach der sechsten Partie bei der Schach-WM in Sotschi. „Als ich den Bauern nach a4 zog, sah ich es sofort“, erzählte der Inder im russischen Sotschi von der Schrecksekunde. Doch zu spät.

Der Exweltmeister hatte nach einem stümperhaften Zug von Magnus Carlsen die einmalige Möglichkeit, zur Halbzeit mit 3,5:2,5 in Führung zu gehen. „Wenn der Springer auf e5 schlägt, hätte mich das den WM-Titel kosten können“, wusste der Norweger und schob nach. „Ich hatte extrem viel Glück!“

Anand versäumte nicht nur die Zwischenschachs mit dem Springer, die ihm zwei Bauern als kostenlose Geschenke eingebracht hätte – demoralisiert brach er ein und gab zwölf Züge später entnervt auf. Carlsen führt damit in dem mit 1,5 Millionen Dollar dotierten Revanche-Match selbst mit 3,5:2,5. Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik antwortete als Kommentator auf die Frage eines Zuschauers, ob der Inder den Tiefschlag verdauen kann: „Meine Erfahrung ist, dass man sich von so einem Schnitzer nicht mehr erholt.“

In dieselbe Kerbe schlug Kramniks Vorgänger als Weltmeister, Garri Kasparow. „Es wird schwer für Anand, noch einmal zurückzuschlagen“, sagte er. Der 51-jährige Russe mit kroatischem Pass konnte sich nicht erinnern, dass ein Spieler jemals in einer WM-Partie seit 1886 eine Gewinnpartie mit einem miserablen Zug in den Verlust verdorben hat. Vom Sieg ins Remis ja, aber so etwas?

So ein Zug darf nicht passieren

„Es ist kein gutes Gefühl“, räumte Carlsen ein und streute Asche auf sein Haupt. „Ein Zug wie der mit dem König darf nicht passieren!“ Jeder Landesliga-Amateur wäre für solch einen Patzer von seinen Kameraden getadelt worden und hätte vor Scham die nächsten drei Klubabende gemieden.

Carlsen hatte Mühe, sein „Pokerface zu wahren“, gestand der 23-Jährige und konnte schon wieder grinsen. Denn wie twitterte der ehemalige britische Vizeweltmeister Nigel Short: „Beide Spieler sind heute unglücklich mit dem Verlauf, aber es ist viel einfacher, einen Patzer abzuhaken, wenn man gewonnen hat.“ Das sind keine guten Voraussetzungen für Anand, zumal Carlsen am Montag in Partie sieben noch einmal mit Weiß „Aufschlag“ hat in dem Duell über maximal zwölf Partien.

Weiß: Magnus Carlsen (Norwegen) - Schwarz: Viswanathan Anand (Indien) 1:0; 1.e4 c5; 2.Sf3 e6; 3.d4 cxd4; 4.Sxd4 a6; 5.c4 Sf6; 6.Sc3 Lb4; 7.Dd3 Sc6; 8.Sxc6 dxc6; 9.Dxd8+ Kxd8; 10.e5 Sd7; 11.Lf4 Lxc3+; 12.bxc3 Kc7; 13.h4 b6; 14.h5 h6; 15.0-0-0 Lb7; 16.Td3 c5; 17.Tg3 Tag8; 18.Ld3 Sf8; 19.Le3 g6; 20.hxg6 Sxg6; 21.Th5 Lc6; 22.Lc2 Kb7; 23.Tg4 a5; 24.Ld1 Td8; 25.Lc2 Tdg8; 26.Kd2 a4; 27.Ke2 a3; 28.f3 Td8; 29.Ke1 Td7; 30.Lc1 Ta8; 31.Ke2 La4; 32.Le4+ Lc6; 33.Lxg6 fxg6; 34.Txg6 La4; 35.Txe6 Td1; 36.Lxa3 Ta1; 37.Ke3 Lc2; 38.Te7+

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