Schifffahrt in Polargebieten: Verkehrsregeln im Eiswasser

Die Vereinten Nationen einigen sich auf den „Polar Code“: Mit den Vorschriften soll die Schifffahrt in Polarregionen sicherer werden.

Der Weg führt durch das Eis. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Für die Schifffahrt in den Polargewässern gibt es jetzt erstmals international bindende Vorschriften: Nach sechsjährigen Verhandlungen haben die Mitgliedsstaaten der International Maritime Organization (IMO), der Seefahrtsorganisation der Vereinten Nationen, nun den „Polar Code“ beschlossen. 2017 sollen die Regeln in Kraft treten.

Die neuen Bestimmungen legen beispielsweise fest, wie Schiffe konstruiert und ausgestattet sein müssen, um in den rauen Gewässern der Polarregionen verkehren zu dürfen. Denn die extremen Wetterbedingungen stellen besondere Anforderungen an das Schiff und an die Crew – etwa was die Navigation angeht. Ebenso gibt es spezielle Regeln für Notfälle: Schiffe müssen etwa über teils oder ganz überdachte Rettungsboote verfügen, damit die Passagiere nicht in der Kälte erfrieren. Ebenso gibt es ein Verbot der Einleitung von Öl, Abwässern, Chemikalien und sonstigen Abfallstoffen.

Die Reedereibranche zeigte sich für die Einigung zumindest in Teilen zusammenarbeitswillig. Auch sie dürfte profitieren: Die bislang extrem hohen Versicherungsraten für Schiffe, die in diesen Fahrwassern unterwegs sind, werden mit Inkrafttreten des Polar Code vermutlich deutlich sinken.

Weniger zufrieden sind Umweltschützer. Sie halten die Bestimmungen für viel zu lasch. Bill Hemmings vom europäischen Verband für Transport und Umwelt sagt, der neue Code „scheitert an der Aufgabe, den potenziell katastrophalen Umweltfolgen der wachsenden polaren Schifffahrt zu begegnen“. Vor allem die Lobbyarbeit der Kreuzfahrtbranche, die derzeit jährlich allein rund 35.000 Passagiere in die Antarktis befördert, habe strengere Vorschriften blockiert.

Umweltschützer kritisieren fehlendes Schwerölverbot

Neben unzureichenden technischen Bestimmungen kritisieren Naturschützer vor allem das Fehlen eines Verbots des wegen seiner Umweltschädlichkeit kritisierten Schweröls als Schiffstreibstoff. Für die Antarktis und die Gewässer um Spitzbergen gibt es dieses seit 2011, doch vor allem Russland hatte sich gegen eine Ausdehnung auf alle polaren Seerouten gesträubt. Der Großteil der rund 6.000 Schiffe, die regelmäßig in eisbedeckten Gewässern verkehren, fährt unter russischer Flagge.

„Schweröl hat im Fall eines Lecks gerade unter arktischen Bedingungen das Potenzial zu schweren Umweltschäden“, sagt Nina Jensen, Vorsitzende der Umweltschutzorganisation WWF Norwegen. Sie bemängelt zudem, dass die IMO auch die „Black carbon“-Problematik noch nicht berücksichtigt hat. Damit wird die Tatsache bezeichnet, dass Rußemissionen sich als Grauschleier auf dem Eis ablagern. Sie gelten als wichtiger Faktor für die Eisschmelze. Diese Fragen hat die IMO vertagt.

Die Reederei- und Kreuzfahrtlobby setzte sich nämlich mit dem Argument durch, es gebe bislang zu wenig Fahrzeuge und Kapazitäten für „sauberen“ Schiffsantrieb. Zu strenge Bestimmungen würden deshalb die arktischen Seerouten noch auf viele Jahre hinaus ökonomisch uninteressant machen. Das wäre kein Schaden, meint Arild Moe, Direktor des norwegischen Fridtjof-Nansen-Instituts: Längst gebe es noch keine ausreichende Infrastruktur, um wachsenden Verkehr dort sicher bewältigen zu können.

Kritisch zeigt sich auch die Schiffsklassifikationsgesellschaft Lloyds. Sie erklärte, zusätzlich eigene, strengere Forderungen aufstellen zu wollen, um das Risiko von Versicherungsfällen zu mindern. Das sei ungewöhnlich, meint Jon Burgwald, dänischer Greenpeace-Arktisexperte: „Und zeigt, dass sie den Code für nicht ausreichend halten.“

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