Schiffsverkehr in Norwegen: 56 Wracks sind auch mal genug

„Eine Barriere durchbrechen“: Norwegen beginnt im Jahr 2019 mit dem Bau des weltweit ersten Tunnels für ozeangängige Schiffe.

Ein Containerschiff läuft aus

Gehört bald der Vergangenheit an? Ein Containerschiffsunfall an der norwegischen Küste Foto: reuters

STOCKHOLM taz | Norwegens Westkap ist zwar weit weniger bekannt als das berühmte Nordkap. Dafür ist der westlichste Punkt des norwegischen Festlands bei Seeleuten umso berüchtigter. Im Stadhavet, dem der Halbinsel Stadlandet vorgelagerten Meeresgebiet, herrscht mit das härteste Wetter längs der gesamten norwegischen Küste.

Die dortige Wetterstation meldet jährlich mehr als hundert Sturmtage. Tendenz steigend – wegen des Klimawandels. Dazu kommen tückische Strömungen und Kreuzseen. 56 Schiffswracks liegen hier, und schon die Wikinger mieden wohlweislich diesen Teil des Nordmeers und zogen ihre Boote lieber mühsam einige Kilometer weit über eine Landenge vom Moldefjord in den Vanylvsfjord.

Ein Kanal kommt an der teilweise nur zwei Kilometer breiten Halbinsel nicht infrage aufgrund einer bis zu 300 Meter hohen Bergkette. Schon 1870 gab es erste kühne Pläne, diese für Schiffe zu untertunneln. Während der Besetzung Norwegens durch Nazideutschland wäre ein solcher Bau beinahe in Angriff genommen worden – die Wehrmacht wollte die Zuverlässigkeit ihrer Nachschubwege verbessern. Doch erst jetzt wird aus den Plänen Realität. Vergangene Woche segnete die Regierung in Oslo das Projekt ab und genehmigte die entsprechenden Budgetmittel, umgerechnet 300 Millionen Euro.

Die lohnen sich, verspricht ein im Regierungsauftrag erstelltes Gutachten. Gewinner werde nicht nur die Seesicherheit sein, sondern auch die Umwelt. Der Gütertransport zwischen südlich und nördlich des Stadhavet gelegenen Küstenorten wird derzeit zum größten Teil auf dem Landweg abgewickelt. Für die Transportplanungen der Wirtschaft seien die von unvorhersehbaren Wetterbedingungen abhängigen Lieferzeiten auf See hierfür ein wesentlicher Grund, konstatiert das Gutachten.

Das E-Schiff kommt

Der Tunnel werde „eine Barriere durchbrechen“ und nicht nur für Güter sicherere und kürzere Seetransporte, sondern auch umweltfreundliche Alternativen für das Arbeitspendeln und insgesamt den Personentransport eröffnen. Treibstoff lässt sich auch sparen, wenn Schiffe das 25 Kilometer ins Meer hinausreichende Stadlandet nicht mehr umrunden müssen.

Der Bau soll 2019 beginnen, vier Jahre später soll der Tunnel fertig sein. Es wäre der weltweit erste für ozeangängige Schiffe. Kleinere Schiffstunnel gibt es schon, etwa im hessischen Weilburg. Da kürzt ein 195 Meter langer Schiffstunnel einen Bogen der Lahn ab.

Der Stad-Tunnel wird andere Dimensionen haben. Wurden für den in Weilburg Mitte des 19. Jahrhunderts 10.000 Kubikmeter Gestein gebrochen, werden es in Norwegen mindestens drei Millionen sein. Mit einer Breite von 36, einer Höhe von 49 und einer Wassertiefe von 12 Metern werden Frachter bis 16.000 Bruttoregistertonnen den 1,7 Kilometer langen Tunnel befahren können – 85 Prozent aller Schiffe der derzeitigen dortigen Küstenschifffahrt. Bei einer Maximalfahrt von 8 Knoten wird eine Passage 10 Minuten dauern.

Auch die Kreuzfahrtschiffe von Hurtigruten werden dann hier unterirdisch verkehren. Erstickungsangst müssen deren Passagiere nicht haben, die Anwohner an den Tunnelenden ebenfalls nicht. Die Entlüftungsanlagen werde so konstruiert werden, das die Schiffsabgase „keinerlei Problem darstellen“, versprechen die Planer. Das Abgasthema soll sich tendenziell sowieso erledigen: Norwegen hat ehrgeizige Pläne, die Küstenschifffahrt zu elektrifizieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.