Schlechte Versorgung für Schulkinder: Ab in die Massenabfertigung

Ganztagsschul-Ausbau bedeutet Hort-Abbau – auch in Findorff. Bloß fehlen der zuständigen Ganztagsschule dort Plätze für die Kinder des „Delfin“-Hortes

Kinder und Schulranzen brauchen auch nachmittags Platz. Aber daran mangelt es.

BREMEN taz | 20 Kinder zwischen sechs und zehn Jahren besuchen zurzeit den außerschulischen Hort „Delfine“ des Vereins „Familien in Findorff“ (FIF). Damit könnte ab kommendem Sommer Schluss sein: Die Delfin-Kinder, so erfuhren Eltern und FIF-Geschäftsführung, sollen ab dann nachmittags in der Schule bleiben. Doch die Offene Ganztagsschule (OGT) an der Admiralstraße platzt bereits aus allen Nähten.

Mit Bedacht, sagt Benjamin Krause, Elternsprecher der Hort-Gruppe, hätten er und die anderen Eltern sich gegen das Ganztagsangebot der Grundschule und für den FIF-Hort als Nachmittagsangebot entschieden. „Die Betreuung dort ist toll, und außerdem haben wir die Möglichkeit, unsere Kinder flexibel abzuholen.“ Das sei an der OGT anders: Die Gruppengrößen lägen bei 24 Kindern, Eltern dürften ihre Kinder nicht zu individuellen Zeiten abholen, es gebe wenig Personal und Räumlichkeiten: „Weil die Mensa nicht alle Kinder fasst, müssen sie in zwei Schichten essen – und künftig wahrscheinlich in drei.“

Ab 2020 soll die Schule an der Admiralstraße eine geschlossene Ganztagsschule werden, „aber diejenigen, die eine Ganztagsbetreuung benötigen, sollen offenbar jetzt schon in den Ganztag gezwungen werden“, sagt Krause. Dabei hätten er und die anderen Eltern gar nichts gegen ein gut funktionierendes Ganztagsangebot, aber: „Selbst die Schulleiterin ist gegen die Verlagerung des Hortes in die Schule – sie sagt, mit momentan 146 Kindern sei man dort bereits an der Schmerzgrenze.“

Auch der Beirat Findorff hat sich am vergangenen Dienstag deutlich gegen die Schließung des Horts ausgesprochen. „Bis die Schule die Anforderungen einer gebundenen Ganztagsschule erfüllt, muss der Fortbestand des Hortes sichergestellt werden,“ sagt Krause.

Das sieht auch Maike Schaefer, Fraktionsvorsitzende der grünen Bürgerschaftsfraktion so: „Solange die Situation vor Ort nicht vernünftig geklärt ist, können unserer Meinung nach keine Horte dichtgemacht werden“, sagt sie. Im Ausschuss „Frühkindliche Bildung“ sei über drei Bremer Horte gesprochen worden, darunter auch dem FIFI-Hort, bei denen es um die Frage gehe, was angesichts des Ausbaus der Ganztagsschulen mit ihnen geschehen solle. „Es soll jetzt ein Gespräch zwischen Schulen, Elternbeiräten und der Behörde geben – das müssen wir erstmal abwarten.“

Klar sei, sagt Schaefer, dass es keine Konkurrenz geben dürfe zwischen Ganztagsschulen und Horts: „Es müssen Kita-Plätze geschaffen werden, dafür brauchen wir Räume und Personal – und wir wollen den Ausbau der Ganztagsschulen vorantreiben. Aber wenn der Ausbau einer Ganztagsschule noch gar nicht weit genug fortgeschritten ist, sollte man nicht im Schnellschuss einen Hort schließen.“

Genau das aber wirft Krause der Bildungsbehörde vor: „Die Zahl der Plätze für den offenen Ganztag soll an der Admiralstraße noch weiter erhöht werden.“ Dies würde als Argument benutzt, Hortplätze abzubauen, um dann wiederum dringend benötigte Kita-Plätze zu schaffen.

Susanne Ohlrogge-Hauser, fif

„Bei uns müssen nicht 90 Kinder gemeinsam essen“

In einem der taz vorliegenden Vermerk des zuständigen Sachbearbeiters aus der Bildungsbehörde heißt es denn auch, mit den FIF-Geschäftsführerinnen sei diskutiert worden, „zum Schuljahr 2017/18 eine Verlagerung der bestehenden Hortgruppe bzw. vorrangig eine Belegung der Plätze in der GTS zu erreichen, um dadurch die Räumlichkeiten des Hortes ab dem Kindergartenjahr 2017/18 für die Tagesbetreuung von Kindern (1-3 oder 3- 6 Jahre) nutzen zu können“. Krause sagt: „Das ist reine Mängelverwaltung.“

Anfragen der Hort-Eltern sowohl an die Bildungssenatorin als auch an den zuständigen Sachbearbeiter seien bis heute unbeantwortet geblieben, sagt Krause.

Auf Nachfrage der taz freilich heißt es aus der Bildungsbehörde, die Schließung von Horten sei Inhalt der Koalitionsvereinbarung: „Darin ist festgehalten, dass Hortplätze im Zuge des Ganztagsausbaus abgebaut werden, weil der Bedarf von Ganztagsschulen dann gedeckt werden kann. Dies dient dazu, Doppelstrukturen zu vermeiden.“ Im Fall des Delfin-Hortes gehe das Ressort allerdings davon aus, „dass die Zahl der Anmeldungen für die Ganztagsschule Admiralstraße die vorhandenen Platzmöglichkeiten übersteigen werden. Deshalb wird die Beibehaltung des Hortangebots geprüft.“

Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Allerdings enden die Anmeldefristen Ende Januar: „Wenn sich dann herausstellt, dass in der Admiralstraße doch freie Plätze sind, kann es sein, dass uns dann gesagt wird, die Kinder kommen an die OGT“, sagt FIF-Geschäftsführerin Susanne Ohlrogge-Hauser.

Von Doppelstrukturen, sagt sie, könne nicht die Rede sein: „Das hieße ja, wir und die OGT hätten die gleichen Angebote.“ Dem sei aber nicht so: Der Hort habe ein umfangreicheres Ferienangebot, eine besserer Teilhabe, bessere Räumlichkeiten, „und bei uns müssen nicht 90 Kinder gemeinsam essen“. Um vergleichbar zu sein, müsste die Schule baulich verändert werden. „Ich frage mich, warum nicht über Mischkonzepte nachgedacht wird – warum nicht Hort und Ganztagsschule gemeinsam denken?“

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