Schlechtere Chancen im Asylverfahren: Hilfsmittel geschleift

Bisher bekamen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Hamburg 150 Euro für eine Rechtsberatung gestellt. Diese – freiwillige – Pauschale wird jetzt gestrichen.

Eines von vielen: Asylverfahren einer jungen Frau aus Eritrea. Foto: Carsten Rehder/dpa

HAMBURG taz | Es war ein Anstieg um fast 300 Prozent: 2.574 minderjährige Flüchtlinge hat die Stadt Hamburg im vergangenen Jahr in Obhut genommen. Immer mehr Hamburger sind vor dem Hintergrund des Bedarfs bereit, die Vormundschaft für einen solchen jungen Alleinreisenden zu übernehmen – gut 150 solcher Fälle gibt es zurzeit. Per Rundmail verschickte der Kinderschutzbund in dieser Woche eine schlechte Nachricht an diese Vormünder: Die bisher von der Stadt gestellte Rechtspauschale in Höhe von 150 Euro pro Jugendlichem wird gestrichen. Das gehe aus einer Dienstanweisung des Landesbetrieb Erziehung und Beratung (LEB) hervor, der in Hamburg die Erstunterkünfte für junge Flüchtlinge stellt.

Marcel Schweitzer, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, bestätigt die Kürzung. Eingeführt worden sei jene Pauschale ehemals für junge Flüchtlinge, die einen Asylantrag gestellt hatten, wofür ihnen eine Beratung zustand. Das sei jedoch eine freiwillige Leistung Hamburgs gewesen, sagt Schweitzer: „Es bestand und besteht kein Anspruch auf Übernahme von Rechtsanwaltskosten für das Asylverfahren aus Mitteln der Jugendhilfe.“

Anlass für den Schnitt bilde die im Herbst 2015 in Kraft getretene Änderung des Asylgesetzes: Seither dürfen 16- bis 18-Jährige nicht mehr selber einen Asylantrag stellen – das kann nur noch der Vormund. Aus Sicht der Hamburger Sozialbehörde ist es dessen Aufgabe, den jeweiligen Betroffenen im Asylverfahren zu begleiten und „gegebenenfalls eine Beratung zu organisieren und finanzieren“.

Nun besteht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Jugendhilfe: einerseits jene jungen Flüchtlinge, die eine Privatpersonen als Vormund haben, die vielleicht doch noch Möglichkeiten auftut; etwa aus der rückwirkend gewährten Aufwandspauschale von rund 440 Euro pro Mündel und Jahr. Andererseits jenen mit einem Amtsvormund, der für bis zu 50 Fälle gleichzeitig zuständig ist.

Amtsvormünder der Hamburger Jugendbehörde betreuten Ende Juli dieses Jahres 1.098 Mündel, die allein auf der Flucht waren. Für 447 dieser jungen Menschen besteht nur kommissarische Zuständigkeit. Ein Vormund muss erst vom Gericht bestellt werden.

Auch für private Vormundschaften wurde die Kapazität binnen zwei Jahren erhöht: nach Angaben des Senats von 75 auf 400 Plätze.

Der Deutsche Kinderschutzbund schult und begleitet – mit Stand 31. Juli – 133 Vormünder. Insgesamt gab es bei freien Trägern 156 Vormünder.

Bis zu 50 Mündel darf ein Amtsvormund betreuen. Eine solche Amtvormundschaft kostet den Staat 1.900 Euro im Jahr, Privatvormundschaften werden dagegen auf etwa 1.350 Euro veranschlagt.

Wie der Senat jetzt auf eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Karin Prien antwortete, besteht an dieser Stelle ohnehin eine Schieflage: Die meisten Vormundschaften für unbegleitete junge Flüchtlinge sind in der Abteilung „FS 44“ der Familienbehörde konzen­triert. Demnach lebten am 1. Juli dieses Jahres noch 1.312 alleinreisende junge Flüchtlinge in der Stadt, von denen 1.098 Mündel der Behörde waren.

Bei einem Privatvormund, dem vom Gesetz her Vorrang eingeräumt werden müsste, wird also nur der kleinere Teil betreut. Die Abteilung für Amtsvormundschaften in der Behörde wurde gegenüber dem vergangenen Jahr von 9,5 auf 20,6 Stellen aufgestockt, weitere fünf sollen folgen. Dass die Behörde überhaupt so eine Abteilung hat, ist auf die frühere Schwarz-Schill-Regierung zurückzuführen – deren Ansinnen allerdings war gewesen, Anträge für geschlossene Heimunterbringung zu erleichtern.

Die Frage, wie die Vormünder künftig die Rechtsberatung finanzieren sollen, antwortete die Behörde am Donnerstag nicht. Die 150-Euro-Pauschale sei „sehr sinnvoll“, sagt der Hamburger Rechtsanwalt Björn Stehn, der viele junge Flüchtlinge vertritt. So komme ein Erstgespräch und der Kontakt zwischen Anwalt und Mandanten zustande. „Es ist besser, wenn sie einen Asylantrag stellen, bevor sie 18 Jahre sind, weil dann dass Dublin-III-Verfahren noch nicht greift.“ Jugendliche Asylbewerber hätten dadurch eher eine Chance. Wird der Antrag erst nach dem 18. Geburtstag gestellt, bestehe die Gefahr, dass sie in das EU-Land zurück müssen, über das sie eingereist waren.

Auch für die Anhörung im Asylverfahren gilt die anwaltliche Begleitung mindestens als hilfreich, wenn nicht sogar psychologisch als notwendig. Dort müssen die Antragsteller sich an Dinge erinnern, die sie am liebsten vergessen wollen.

Ob eine Pauschale für Rechtsberatung gewährt wird, sei „von Land zu Land unterschiedlich“, sagt Ulrike Schwarz vom Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. „Es ist schade, wenn Hamburg das streicht.“ Rechtsberatung sei zudem EU-rechtlich vorgeschrieben. Derzeit würden diese Richtlinien überarbeitet – „deshalb sind sie gerade ausgesetzt“.

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