Schönheit des Glaubens: Jubeln mit der CDU

Jeder verteilt irgendwas für lau: Wer zu Douglas geht, kriegt Pröbchen, Springer verschenkt Bildzeitungen, Salafisten den Koran und Bremens CDU die Bibel.

Und siehe: Es war große Freude bei der Bibelverteilung in der Bremer City. Bild: bes

Leicht belegt bricht der mausgrauen Frau der Jubel aus der Kehle, ein wenig heiser klingt ihr Lied: „Ja, ja“, psalmodiert sie, „Jesus lebt!“, sie tanzt rund um den CDU-Stand in der Bremer Fußgängerzone herum, „er ist wirklich auferstanden!“

Das irritiert, weil: So klar ist es ja nicht, ob die jetzt dazugehört oder nicht. Denn, auch wenn im Parteiprogramm steht, „dass sich aus christlichem Glauben kein bestimmtes politisches Programm ableiten lässt“, scheint die Bremer CDU da anderer Meinung: Sie glaubt, arglose Passanten mit Bibeln versorgen zu müssen. Und wenn es schon so weit ist, dann könnte ja auch die hopsende Jesus-lebt-Tante die neue Pressesprecherin der Partei sein.

Sie ist es nicht. Die Bremer CDU sucht da noch. Und allmählich wird erkennbar, dass die Erleuchtete als Fremdkörper verstanden wird. Zwar, Senioren Union-Vorstand Jens Motschmann beherrscht als ehemaliger Pastor einer fundamentalistischen Gemeinde den Wir-freuen-uns-über-jeden-auch-wenn-er-nervt-Blick noch perfekt, aber seine Gemahlin Elisabeth, Staatsrätin a. D., Initiatorin der Bibelverteilung und Vorsitzende der Bremer Frauen Union, lächelt die Mausgraue dann doch zu verkniffen an. Schwupp!, da dreht sie schon wieder ins Bild, reißt die Arme hoch, „Jesus lebt!“, jetzt klingt’s fast wie ein Kampfschrei, „er lebt wirklich!!!“, mitten in das Interview, das Motschmann dem Lokalfernsehen gibt.

Zum Teufel mit ihr! Wie soll sich Elisabeth Motschmann dagegen wehren? Der Entrückten mit den Krallen durchs Gesicht fahren, sie am Ellbogen packen und vor die Tram schleudern – das geht ja nun nicht, vor versammelter Presse! Noch einmal strahlt Elisabeth Motschmann sie energisch an, Vampyr wäre ein guter Name für ihren Lippenstift, „nein“, stellt sie klar, „es geht nicht um Mission“. Warum denn dann die Bibel? Weil das „die Grundlage der jüdisch-christlichen Tradition des Abendlandes“ sei. Wobei der jüdische Part in der vorliegenden Ausgabe bis auf die Psalmen getilgt ist. Aber in gewisser Hinsicht entspricht ja auch das der Tradition des Abendlandes. 200 Stück sind es, weil der evangelikale CSV-Verlag mehr nicht für umme rausrücken wollte. Wenigstens gibt’s Bonbons und Bleistifte mit CDU-Aufdruck. „Jesus lebt wirklich!!“, frohlockt die Tweedfrau.

Ach, Glauben ist schön – wenn man anderen ungestört dabei zuschauen kann. Dem jungen Mann, der hier in der Gewinnausgabe der Bürgerparktombola knechtet, geht die Aktion nebenan gehörig auf den Zeiger. Rumms!, hat er den bibeltreuen Christen von der Union ein Sixpack Bier auf den Tisch geknallt, „damit Sie was Sinnvolles verteilen können“. Später verschenkt er ein paar Brotlaibe „gegen Anti-Islamismus“.

Vielleicht ist Zeug verteilen ja ansteckend. Das würde erklären, warum es momentan so en vogue ist: Wer zu Douglas geht, bekommt Pröbchen, Springer droht, die Bild gratis frei haus zu liefern, die Salafisten verschenken den Koran – und nun die Bremer CDU, die, Motschmann räumt das gerne ein, mit der Aktion auf die muslimische Sekte reagiert. „Aber“, sagt sie, „wir machen nicht stumpf das Gleiche.“ Sondern? „Uns“, sagt sie, „geht es um den Dialog.“

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