Schreddern männlicher Eintagsküken: Erste Klage gegen Brüterei

Geflügelhalter müssten nicht mehr systematisch männliche Küken töten, Alternativen stehen bereit.

Ein Küken sitzt auf einer Hand

Eins von 50 Millionen: Männliches Küken Foto: imago/Westend 61

BERLIN taz | Etappensieg für die Tierrechtsorganisation Peta: Die Staatsanwaltschaft Münster hat Anklage gegen den Geflügelzuchtbetrieb Brinkschulte im westfälischen Senden erhoben, weil dieser systematisch männliche Küken töte und damit gegen das Tierschutzgesetz verstoße. Nun prüft das Landgericht Münster, ob es ein Verfahren zulässt. „Die Staatsanwaltschaft sendet ein klares Signal an die Behörden, den Gesetzgeber und die Branche, dass das Kükentöten strafbar ist“, sagt Edmund Haferbeck von Peta, „auch wenn es alle machen.“

Rund 50 Millionen männliche Küken werden jährlich in Deutschland vergast oder geschreddert, weil die Betriebe keine wirtschaftliche Verwendung für sie haben – obwohl das Tierschutzgesetz mit Freiheitsstrafe droht, wenn ein Tier „ohne vernünftigen Grund“ getötet wird. Peta hatte Anfang 2015 rund 20 Brütereien in ganz Deutschland angezeigt, die meisten Staatsanwaltschaften hatten die Ermittlungen jedoch eingestellt. Laut Peta argumentierten sie dabei mit „geringer Schuld“ oder mit dem sogenannten „Verbotsirrtum“: Weil Behörden und Regierungen das Kükentöten billigten, seien die Betriebe sich über das Verbotene ihrer Taten nicht bewusst.

Seit Jahren diskutiert die Branche

Dabei wird die Praxis seit Jahren diskutiert. NRW war 2013 damit gescheitert, sie zu verbieten. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) will das Schreddern bis 2017 beenden. Er setzt auf eine Methode, mit der schon kurz nach dem Legen des Eis das Geschlecht des Tieres erkannt werden kann, männliche würden gleich aussortiert. Während diese Methode noch nicht praxistauglich ist, stehen andere Konzepte bereit, die jedoch durch Schmidts Ankündigungen blockiert werden.

„Die ganze Branche wartet ab“, beschreibt Jochen Dettmer die Lage. Der Geschäftsführer des Vereins „Neuland“, der für eine artgerechte Nutztierhaltung eintritt, setzt auf Zweinutzungshühner, die sowohl Eier als auch Fleisch liefern. Seit den 60er Jahren wurden die vorhandenen Rassen zu Spezialisten gezüchtet. Ein Masthähnchen erreicht heute schon nach rund vier Wochen sein Schlachtgewicht, eine Legehenne bringt es auf bis zu 330 Eier im Jahr.

Von beidem etwas weniger

Zweinutzungshühner legten weniger - etwa 250 Eier pro Jahr - und brauchten länger bis zur Schlachtreife - etwa zweieinhalb Monate -, so Dettmer. Doch entstammten „die extrem leistungsfähigen Tiere Qualzuchten“, sagt er, „da müssen wir sowieso weg von.“ Der deutsche Marktführer Lohmann Geflügelzucht, auch international eine Größe, hat längst ein Zweinutzungshuhn namens „Dual“ im Angebot.

Auf neue Hühnerrassen setzen auch die Anbauverbände Bioland und Demeter, die eine GmbH zur „Ökologischen Tierzucht“ gegründet haben, um ihren Mitgliedsbauern Zweinutzungshühner anbieten zu können. Es gelte, Tiere zu entwickeln, die eine annehmbare Legeleistung von etwa 240 Eiern und auf der männlichen Seite eine Lebendgewichtsentwicklung von rund drei Kilo in 18 Wochen erreichen können, beschreibt die GmbH ihr Zuchtziel.

Es lebe der Bruder der Legehenne

Ein Weiteres Erfolgsbeispiel ist die Initiative „Bruderhahn“; die zugehörigen Höfe subventionieren ihr Hähnchenfleisch durch höhere Eierpreise quer. Sie werde klug vermarktet und laufe sehr erfolgreich, sagt Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Das Projekt sei ein Beispiel dafür, wie das erschütterte Vertrauen der Verbraucher in die Tierhaltung zurück gewonnen werden könne, so Schulz.

Peta sieht sich durch die Anklage der Münsteraner bestätigt und will in den nächsten Wochen erneut gegen die Betriebe Anzeige erstatten, gegen die die entsprechenden Staatsanwaltschaften die Ermittlungen schon eingestellt hatten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.