Schüler gegen Politikmüdigkeit: „Es gibt Themen, die uns catchen“

Der Schüler Carl Exner organisiert an seinem Brandenburger Gymnasium eine Diskussion über Politikverdrossenheit. Mit dabei: die AfD.

Schule sollte Politik nicht so theoretisch lehren, findet der Elftklässler Carl Exner Foto: privat

taz: Carl, du willst an deiner Schule darüber diskutieren, warum Jugendliche sich von den etablierten Parteien oft nicht mehr angesprochen fühlen. Juso-Chef Kevin Kühnert kommt zu deinem Podium, die Grünen-Bundesvorsitzende Anna-Lena Baerbock auch. Wie hast du die alle zu einer Diskussion mit SchülerInnen nach Glienicke gelockt?

Carl Exner: Ich habe in der neunten Klasse ein Praktikum beim damaligen Gesundheitsminister [Hermann Gröhe, CDU, Anm. d. Red.] gemacht. Seitdem weiß ich ungefähr, wie man Anfragen so stellt, dass man eine Antwort bekommt. Aber es war tatsächlich nicht ganz einfach: Wir haben ja auch die AfD eingeladen, Michael Espendiller, einen der Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Da sind viele erst einmal auf Distanz gegangen.

Man soll mit der AfD reden, findest du?

Das ist die Partei, die viel Frust kanalisiert – auch wenn die Sorgen vielleicht oft nicht rational begründet sind, sondern nur irgendwie gefühlt. Was aber die AfD wiederum auch für sich nutzt. Ja, deshalb glaube ich, dass man das Gespräch suchen sollte, auch wenn man die AfD nicht mag. Leider haben diese Partei bei der letzten Bundestagswahl nun einmal zwölf Prozent der Menschen gewählt. Hier in Oberhavel war sie fast gleichauf mit der SPD.

Das Fach Politik gibt es derzeit nur in der gymnasialen Oberstufe. Das wird sich allerdings ab dem Schuljahr 2019/20 ändern: Dann soll Politik bereits ab der siebten Klasse innerhalb des Lernbereichs Gesellschaftswissenschaften als eigenständiges und benotetes Fach auf dem Zeugnis erscheinen. Die Stärkung der politischen Bildung an den Schulen hatte sich die rot-rot-grüne Koalition 2016 in den Koalitionsvertrag geschrieben – auch als Reaktion auf das starke Abschneiden der AfD bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen. Der Landesschülerausschuss hatte zuvor bereits lange für eine Aufwertung des Fachs Politik gekämpft: Politische Bildung sei kein Privileg der gymnasialen Oberstufe.

Demokratisch handeln heißt ein bundesweiter Wettbewerb, der jedes Jahr Projekte zum Thema Demokratie an Schulen auszeichnet. 2017 beteiligten sich 18 Schulen aus Berlin und Brandenburg.

„Unzufriedenes Volk – was muss sich an den Parteien und der Politik verändern?“, heißt die Podiumsdiskussion, die der Elftklässler Carl Exner moderiert. Namhafte BundespolitikerInnen und Journalisten diskutieren mit SchülerInnen und BürgerInnen am 29. Mai um 18.30 Uhr, Neues Gymnasium Glienicke, Schönfließer Str. 16–24, 16548 Glienicke/Nordbahn. (taz)

Carl Exner

16, geht in die 11. Klasse des Neuen Gymnasiums Glienicke im Landkreis Oberhavel.

Was genau ist das denn für ein „Frust“, der dir auch unter deinen MitschülerInnen begegnet, wie du in der Einladung zur Podiumsdiskussion schreibst?

Das Thema Flüchtlinge zum Beispiel. Meine Schule liegt in einem wohlhabenden Stadtteil, das ist hier eher die politische Mitte. Und ich würde sagen, an meiner Schule gilt die AfD als unwählbar. Aber die Themen, die sie setzen, sind dann irgendwie doch anschlussfähig. Als hier Flüchtlinge in der Nähe untergebracht wurden und wir deshalb in eine andere Turnhalle ausweichen mussten, hat das einige meiner Mitschüler gestört. Was ich vor der letzten Bundestagswahl auch immer wieder gehört habe: Es macht doch eh keinen Unterschied, ob ich jetzt CDU oder SPD wähle, die wollen doch das Gleiche.

Ihr redet in der Pause wirklich über die Wahlprogramme, beispielsweise von CDU und SPD?

Nee, wir reden über die nächste Party und übers Wochenende. Aber es gibt so Themen, die catchen uns auch: soziale Ungleichheit, die Flüchtlingskrise. Mit den Wahlprogrammen haben wir uns im Politikunterricht beschäftigt, da ging es dann um so Dinge wie Baukindergeld, oder wer den Solizuschlag wie abschaffen will. Darüber zu diskutieren reißt die meisten aber nicht gerade mit.

Wie könnte man euch denn mitreißen?

Schule sollte Politik nicht so theoretisch lehren. Wir sprechen im Politikunterricht viel über europäische Institutionen, warum Demokratie wichtig für uns ist, wie eine Bundestagswahl funktioniert. Das ist auch wichtig, bringt einem diese Dinge aber nicht als Herzensthema näher. Ich glaube auch: Wenn wir merken würden, da brennt einer von den Politikern so richtig für sein Thema, das würde uns beeindrucken. Aber vielleicht schafft das ja jetzt Kevin Kühnert.

Und du wirst später Berufspolitiker und machst es besser? Oder wirst Politiklehrer?

Lehrer werde ich nicht, das steht fest.

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