Schuldenkrise in Italien: Die Hütte brennt

Italiens Politiker, Bankchefs und Wirtschaftslenker geraten in Panik. Würde ein Abgang Berlusconis alle Probleme lösen? Das glaubt zumindest die Opposition.

Lässt sich die Laune nicht verderben: Silvio Berlusconi. Bild: dpa

ROM taz | An schwarze Tage hat die Mailänder Börse sich mittlerweile gewöhnen müssen - doch am Dienstag, auf Allerheiligen, wurde alles noch ein wenig schwärzer. Kurseinbrüche bis zum frühen Nachmittag von 7 Prozent gab es, und - schlimmer noch - der "Spread", der Risikoaufschlag gegenüber deutschen Staatsanleihen, kletterte für italienische Papiere mit zehnjähriger Laufzeit auf 4,5 Prozent.

Panik grassiert mittlerweile unter Politikern, unter Bankchefs und Wirtschaftslenkern, Panik gegenüber einer Krise, von der sich das Land völlig unvorbereitet kalt erwischt fühlt, der gegenüber zudem kein Mittel zu greifen scheint.

Befand sich Italien nicht eigentlich im Windschatten der Krise? Als Berlusconi im Dezember 2010 vor einem Misstrauensvotum stand, als alle Welt glaubte, Italiens Politik gehe wieder einmal höchst unruhigen Zeiten entgegen, interessierte das die Märkte jedenfalls keinen Deut - keine Rating-Agentur, kein Großanleger schien damals an der Stabilität des Landes zu zweifeln.

Selbst vor nicht einmal vier Monaten, Anfang Juli, schien Griechenland noch ganz weit weg, konnte Regierungschef Silvio Berlusconi behaupten, Italien stehe nun mal "besser da als die meisten anderen Länder" in der Eurozone. Dann kam aus heiterem Himmel die erste spekulative Attacke auf Italien, schoss der Zinsabstand zu Deutschland auf über 3 Prozent hoch.

Und dort blieb der "Spread" - trotz aller Anstrengungen der Regierung Berlusconi, mit gleich zwei Sparprogrammen im Sommer von über 50 Milliarden Euro Volumen den anderen Eurostaaten ihren Willen zu eiserner Haushaltsdisziplin zu demonstrieren.

Feuerwerk vorbei

Und dort blieb er auch, nachdem Berlusconi letzte Woche den von der EU geforderten Brief mit weiteren Zusagen zur Umsetzung des Kürzungsprogramms abgeschickt hatte. Immer wieder sahen die Italiener den gleichen Plot: Die Regierung beschließt etwas, um die Märkte zu beruhigen, am nächsten Tag erholt sich die Mailänder Börse kräftig - doch am übernächsten Tag ist das bescheidene Feuerwerk vorbei, rauschen die Kurse erneut in den Keller, während der Risikoaufschlag des Landes nur eine Richtung kennt: aufwärts.

Deswegen macht sich in Rom und Mailand das Gefühl breit, dass die Hütte lichterloh brennt - und dass alle bisherigen Löschversuche kläglich gescheitert sind. Berlusconi fällt in dieser Situation nichts anderes ein, als zu der einigermaßen hilflosen Ausrede zu greifen, die er immer schon in Anschlag brachte: Andere sind schuld. Die "defätistische linke Presse" zum Beispiel, die Italien systematisch "schlechtgeredet" habe. Oder auch gleich der Euro selbst, "ein merkwürdiges Geld, das niemanden überzeugen konnte", wie der Premier letzte Woche befand. Und Il Giornale, Tageszeitung aus dem Haus Berlusconi, titelte denn auch gleich "Der Beschiss namens Euro".

Wendehoffnung?

Ganz anders sieht die Opposition die Dinge. "Worauf wartet er eigentlich noch?", fragt in diesen Tagen immer wieder Pierluigi Bersani, Vorsitzender der größten Oppositionskraft, des Partito Democratico (PD). "Er" soll bitte schön "einen Schritt zurück tun", den Weg freimachen für eine "Regierung des nationalen Notstands", eine "Regierung des nationalen Wiederaufbaus". Alles werde sich schon richten, wenn Berlusconi, der seine internationale Glaubwürdigkeit komplett verspielt habe, endlich den Koffer packt, wenn stattdessen zum Beispiel der frühere EU-Kommissar Mario Monti an die Spitze einer Allparteien-Regierung berufen würde.

Mit fast messianischen Tönen beschwört die Opposition diese Wendehoffnung, und der PD will am Samstag Hunderttausende Bürger auf einer Großkundgebung gegen Berlusconi in Rom versammeln, appelliert zugleich mit den Worten "wir stehen bereit" an Staatspräsident Giorgio Napolitano, die Wege zu einer schnellen Ablösung der bisherigen Regierung auszuloten. Doch eine Gewähr, dass dies die Lösung der Probleme Italiens wäre, hat auch die Opposition nicht. Was, wenn nach Berlusconis Rücktritt die Kurse in Mailand mal wieder für einen Tag steigen, um dann erneut in den Keller zu segeln?

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