Schuleputzen gegen Macho-Image: Die Kerle vom Schrubbkommando

Türkische Väter putzen eine Schule, um zu zeigen, dass sie keine Machos sind. Die Schülerinnen finden das nur zu gerecht. Ein Ortstermin.

"Geschieht ihnen recht, dass die hier putzen müssen", meinen die Schülerinnen über die Putzväter. Bild: photocase/mys

Sie knien in dem langen Flur der Otto-Hahn-Oberschule in Berlin-Neukölln. Es riecht nach Scheuermilch, Fensterreiniger und Seifenlauge. Sieben türkische Väter tauchen kleine, blaue Schwämmchen in schwarze Kunststoffeimer, einer hält einen Pappteller mit Reinigungspulver in der Hand. Dann scheuern sie die weiß getünchte Wand. An diesem Montag ist Putztag in der Lehranstalt; Schüler, Lehrer und Eltern helfen - und die sieben türkischen Männer. Keiner von ihnen hat sein Kind an dieser Schule. Sie helfen freiwillig. Es sind Kazim Erdogans Männer: die Teilnehmer der ersten offiziellen türkischen Vätergruppe in Deutschland.

Kazim Erdogan ist Psychologe, er hat die Gruppe vor zwei Jahren in seinem Verein "Aufbruch Neukölln" gegründet. Gesprächsangebote für türkische Frauen und Mütter hatte es immer gegeben, mit den Vätern und Männern wurde nicht gesprochen, "immer nur über sie", sagt Erdogan. "Viele türkische Männer haben Kommunikationsprobleme", sagt er - mit Themen wie Ehe, Erziehung, Ehre bleiben sie allein. In der Gruppe lernen sie, die Sprachlosigkeit in der Familie zu durchbrechen, ruhig zu bleiben, zuzuhören. Viele der Männer sind arbeitslos. Auch wenn sie nicht als Versorger der Familie auftreten können: "Wenn sie ein Ehrenamt übernehmen, wie bei der Putzaktion, fühlen sie sich als Mensch gebraucht", so Erdogan.

Die Direktorin der Otto-Hahn-Schule, Gabriele Holz, hatte Erdogan um Hilfe gebeten. Der ist außerschulisches Mitglied der Schulkonferenz. Die Männer nahmen das Angebot dankend an. Keiner fand die Idee, putzen zu gehen, komisch. Im Gegenteil: Diejenigen, die keine Zeit hatten, waren traurig. "Ich schicke Ihnen sieben türkische Helden", hatte Erdogan der Direktorin gesagt. Die Männer sind stolz, als Holz das erzählt. "Schaut den Schülern auf die Finger, zeigt ihnen, wie es geht", sagt sie. Die Männer nicken. Dann ziehen sie los, in Richtung Raum 723, "die brauchen am meisten Hilfe".

Einer von ihnen ist Berkant Otto. Er ist 38, ein kräftiger Mann, kurze, dunkle Haare, Bart. Seine Nase hat wohl mal was abgekriegt, ein Zahn fehlt. Er wirkt wie jemand, der seine Vergangenheit verstanden hat und die Gegenwart mit geduldiger Gelassenheit erträgt. Seit seine Frau ihn verlassen hat, lebt er allein mit den beiden Söhnen. Die Vätergruppe besucht er seit einem Jahr, er ist ruhiger geworden, sagt er. Er hilft beim Putzen, um zu "zeigen, dass türkische Väter auch sauber machen können". Die Reaktionen aus dem Umfeld sind positiv, nur einige ärgern sich; "Frauenarbeit" sagen die. "Darüber muss man hinwegsehen", sagt Otto.

In der Kantine der Schule sitzen Mädchen um einen runden Tisch. Marna ist 14, Kawser 15, Arta 14 Jahre alt. Schwarze Schleier schmiegen sich an runde Kinderwangen. Wie finden sie, dass die türkischen Väter hier helfen? "Gut!" Die Mädchen schreien durcheinander, das Thema gefällt ihnen. "Männer gehen und kommen, wann sie wollen", sagt eine. "Meine Brüder machen nichts, die sind total faul", eine andere. "Geschieht ihnen recht, dass die hier putzen müssen", sagt die Dritte. Sie essen Eis und Bonbons. Putzen wollen sie nicht.

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