Schulreform in Berlin: Hauptschule wird abgeschafft

Berlins SPD-Bildungssenator will die Hauptschule abschaffen: Künftig soll es neben dem Gymnasium eine Regionalschule geben. Die Reformer sind enttäuscht, der Koalitionspartner sauer.

Demnächst sind Rütli-Schüler keine Hauptschüler mehr. Bild: dpa

"Das Spektakuläre an diesem Vorschlag ist, dass er nicht spektakulär ist" - es klang fast bescheiden, wie Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gestern seine Vorschläge für eine Reform des Berliner Schulsystems präsentierte. Die lauten: Abschaffung der Hauptschule zugunsten einer "Regionalschule" genannten Schulform, die ähnlich wie bisher die Gesamtschulen verschiedene Schulabschlüsse anbietet. Auch die berufsorientierten Fachoberschulen sollen dort integriert werden. Die neue Schulform soll immer Ganztagsschule sein.

Daneben plant Zöllner die Beibehaltung der Gymnasien in ihrer jetzigen Form. Dann soll es in Berlin die Wahl zwischen zwei Wegen geben: dem grundständigen Gymnasium, das nach der vierten Klasse anfängt, und dem normalen, das nach der in Berlin regulär sechsjährigen Grundschulzeit beginnt. Beide Formen bieten das Abitur nach 12 Schuljahren. Die ersten Schritte zu den Reformen will der Berliner Senator, der bis 2006 Bildungsminister und stellvertretender Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz war, bereits in der laufenden Legislaturperiode angehen. Die komplette Umsetzung soll dann nach der nächsten Wahl ab dem Jahr 2011 stattfinden.

Bescheidenheit steht Berlins oberstem Bildungschef bei der Präsentierung solcher "Eckpunkte für eine Weiterentwicklung der Schulstruktur" gut. Denn diese Vorschläge des bei seinem Amtsantritt in Berlin einst als "Supersenator" gefeierten Zöllner vollziehen eigentlich nur nach, was bildungspolitisch über Länder- und Parteigrenzen hinweg längst Zustimmung gefunden hat. In Kurt Becks Rheinland-Pfalz, im rot-grünen Bremen, aber auch in den CDU-regierten Ländern Saarland und Schleswig-Holstein und im schwarz-grünen Hamburg ist die Abschaffung der Hauptschule beschlossene Sache.

Unspektakulär ist dieser Entwurf eines zweigliedrigen Schulsystems aber nicht nur deshalb, weil er in anderen Bundesländern längst durchgesetzt ist: Unspektakulär ist er auch deshalb, weil er wie alle anderen Reformen bisher vor dem letzten großen Schritt, der Abschaffung des Gymnasiums, stoppt.

Und genau das macht die Second-Hand-Reform von Senator Zöllner in Berlin dann doch zu einem Aufreger. Denn die Abschaffung des Gymnasiums zugunsten einer einheitlichen Schulform, der Gemeinschaftsschule, gehört zu den Zielen, die die rot-rote Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag 2006 beschlossen hat - jedenfalls nach Auffassung der linken Koalitionspartnerin. "Unsere Zielvorstellung war und bleibt eine Schule für alle", sagt Steffen Zillich, bildungspolitischer Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus. Denn: "Wer die soziale Selektion in unserem Schulsystem, die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von sozialer Herkunft, abschaffen will, der muss Selektion insgesamt abschaffen." Von einem Wortbruch der Sozialdemokraten mag Zillich noch nicht reden: Schließlich seien Zöllners Vorschläge zunächst eben nur solche: "Wir werden jetzt eine öffentliche Debatte führen und eigene detaillierte Vorschläge unterbreiten", so Zillich. Schließlich hätten Umfragen gezeigt: 50 Prozent der BerlinerInnen wollten die Gemeinschaftsschule.

Enttäuscht von dem Entwurf des Supersenators ist auch Peter Sinram vom Berliner Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dem Konzept fehle der Mut, sagt er: "Das ist kein großer Wurf, sondern ein weiteres Durchwursteln." Anders als der Linke Zillich mag Sinram jedoch nicht auf die korrigierende Wirkung einer öffentlichen Debatte hoffen. Denn, so der GEW-Sprecher: "Wer sich heute hinstellt und sagt, er schaffe das Gymnasium ab, der verliert die nächste Wahl."

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