Schulstreik gegen Wehrpflicht: Widerstand ist nicht naiv, sondern notwendig
Eine neue Jugendbewegung kämpft nicht mehr für das Klima, sondern gegen die Wehrpflicht. Wir täten gut daran, sie ernst zu nehmen.
D ie Jugend ist zurück. Sieben Jahre nachdem die damals 15-jährige Schwedin Greta Thunberg die Fridays for Future ins Rollen gebracht hatte, schwänzen am Freitag bundesweit wieder tausende Jugendliche aus Protest die Schule. Nur ist es dieses Mal nicht das Klima, das die Schüler:innen auf die Straße treibt, sondern die drohende Wiedereinführung der Wehrpflicht.
Es ist begrüßenswert und längst überfällig, dass sich diejenigen, die potenziell am stärksten von der Militarisierung betroffen sind, sich in der gesellschaftlichen Debatte endlich Gehör verschaffen. Bislang sind es vor allem Vertreter:innen einer eher greisen politischen und wirtschaftlichen Elite, die fordern, Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen. Mit der Zeitenwende haben sie die Art, wie wir über Krieg sprechen, grundlegend verändert. Militärexperten und Generäle treten in Medien auf und kommentieren den Krieg in der Ukraine, als wäre es ein Fußballspiel.
Aufrüstung ohne Menschen
In der kalten, geopolitischen Logik, die den Diskurs dominiert, ist es egal, ob die zusätzlichen 80.000 Soldat:innen, um die die Bundeswehr vergrößert werden soll, freiwillig oder aus Zwang dienen. Auch die meisten Abgeordneten, deren Durchschnittsalter über 47 Jahre liegt, dürfte es nicht stören. Das wehrtüchtige Alter haben sie längst überschritten.
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Für die Jugendlichen steht ungleich mehr auf dem Spiel: Jahre verschwendeter Lebenszeit und Demütigungen durch militärischen Drill. Sie sollen bereit gemacht werden für eine Situation, in der sie ihr eigenes Leben riskieren und gezwungen werden zu töten. Krieg zerstört nicht nur Körper, sondern Seelen.
Wenn sie keine Lust haben, diese Opfer für ein Land zu bringen, das an Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und dem guten Leben für alle kein Interesse hat, wer kann es ihnen verdenken? Der Rest der Gesellschaft sollte die neue Schulstreikbewegung ernst nehmen, statt sie als naiv oder egoistisch zu belächeln. Die Jugendlichen sind ein wichtiges Korrektiv in einer zunehmend entmenschlichten Aufrüstungsdebatte.
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