Schutz der EU-Außengrenzen: Brutale Zurückweisung

Eine Pro-Asyl-Studie belegt, wie Frontex und griechische Grenzbeamte Flüchtlingsboote jagen und abschleppen. Einige Flüchtlinge wurden sogar gefoltert.

Ein Flüchtlingsboot an der EU-Außengrenze. Bild: dpa

BERLIN taz | Die EU-Grenzschutzagentur Frontex und Griechenland schicken an der Grenze zur Türkei massenhaft Flüchtlinge zurück. Das berichtet Pro Asyl in einer am Donnerstag vorgestellten Studie.

Demnach inhaftieren Beamte maskierter Spezialeinheiten Flüchtlinge ohne jegliche Registrierung auf griechischem Territorium und schieben sie anschließend völkerrechtswidrig in die Türkei ab. Spezialeinheiten der griechischen Küstenwache schleppen Flüchtlinge in türkischen Territorialgewässern zurück.

Die meisten Befragten berichteten, misshandelt worden zu sein. In den Fällen, in denen Flüchtlinge von der Insel Farmakonisi zurückgewiesen wurden, „grenzten die Misshandlungen von neun männlichen syrischen Flüchtlinge an Folter“, heißt es in dem Bericht. Kinder, Babys und Schwerstkranke seien ebenso betroffen wie Angehörige aus Kriegs- und Krisenregionen.

Die Organisation hat in den vergangenen 13 Monaten in der Türkei 90 Menschen befragt, die mindestens einmal von Griechenland an der Grenze zurückgeschoben worden sind. Über die Hälfte der Befragten waren SyrerInnen, 14 von ihnen waren sogar mehrfach zurückgeschoben worden.

Kinder, Babys und Schwerstkranke

So berichte ein 20-jähriger Syrer, der am 23. August vor der Insel Samos aufgegriffen wurde, von der Begegnung mit den griechischen Grenzern: „Sie trugen schwarze Uniformen und Masken, wir konnten nur die Augen sehen. Sie schossen drei-, viermal in die Luft und kamen dann an Bord. Wir hielten unsere Hände hoch, sie zogen die Frauen am Haar, was sie sagten, konnten wir nicht verstehen. Sie zwangen uns, niederzuknien und die Hände hinter den Nacken zu halten. Sie nahmen unser Geld, warfen unsere Handys und Koffer ins Meer.“ Das Boot sei zunächst in türkische Gewässer zurückgeschleppt und dann der Motor zerstört worden.

Auch die EU hat dem Bericht zufolge ihren Anteil an den Grenzschutzaktionen: Fast alle dokumentierten Zurückschiebungen fanden im Operationsgebiet der Frontex-Mission „Poseidon Land and Sea“ statt.

In dem Zeitraum, in dem Pro Asyl die Interviews führte, starben in der Region 149 Menschen bei dem Versuch, nach Griechenland einzureisen. Fast alle ertranken in der Ägäis oder im Grenzfluss Evros.

2000 Schutzsuchende zurückgewiesen

Allein nach den Augenzeugenberichten der interviewten Personen seien mindestens 2.000 Schutzsuchende an griechisch-türkischen Land- und Seegrenzen zurückgewiesen worden, sagt der Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkardt.

In sieben Wochen wird Griechenland die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. „Die griechische Regierung fordert von den anderen EU-Staaten zu Recht mehr Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme, diese Forderung muss die künftige Ratspräsidentschaft durch die Achtung von Flüchtlingsrechten untermauern“, sagt Burkhardt.

Direkte Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze sind bislang mit europäischem Recht nicht vereinbar. Auf dem Papier hat jeder Schutzsuchende das Recht, hereingelassen zu werden, um einen Asylantrag stellen. Die EU-Kommission will das gerade ändern: In einer Woche wird der Innenausschuss des EU-Parlaments einen Kommissionsvorschlag beraten, Frontex zu direkten Rückschiebungen zu ermächtigen. Das soll Ende November beschlossen werden.

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