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Maryna Sachuk (links) hilft im Café International bei Problemen und Sorgen im Alltag, Samia Alomari bei Übersetzungen Foto: Jens Gyarmaty

Schutz vor rechter GewaltNiemand soll alleine sein

Wo rechte Gewalt zunimmt, braucht es Zufluchtsorte. Die wollen zwei Cafés in Mecklenburg-Vorpommern queeren, linken und geflüchteten Menschen bieten.

H eute ist Samia Alomari nicht mehr einsam. Es ist 14 Uhr an einem Dienstagmittag im November, der Regen klatscht gegen die Scheiben des Café International in Neubrandenburg. Alomari, 42 Jahre alt, graues Strickkleid, steht in der Mitte des Raums, und ständig will jemand mit ihr sprechen. Soeben hat das Café seine Türen geöffnet. Die ersten Gäste lassen sich auf den Samtsesseln nieder, andere stehen noch im Eingangsbereich.

Ankommen statt Abschotten – 10 Jahre nach 2015

Wie könnte eine Politik aussehen, die auf Ankommen statt Abschotten setzt? Was können wir lernen aus 2015? Und wo sind die Orte, an denen der restriktiven Politik von oben eine solidarische Politik von unten entgegengesetzt wird? Diesen Fragen haben wir über das im Jahr 2025 fünf Sonderausgaben zu Flucht und Migration gewidmet.

Mit der wochentaz vom 20. Dezember findet das Projekt seinen Abschluss. Es ist keine besinnliche Zeitung geworden – aber eine, die sich um ein Thema dreht, das zu Weihnachten einen besonderen Klang bekommt. Wir beschäftigen uns mit der Frage, was „Zuhause“ eigentlich ist, was es braucht, um sich an einem Ort zu Hause zu fühlen – und wie die Hoffnung darauf oft zerstört wird.

Alle Texte aus dieser Sonderausgaben erscheinen nach und nach hier. In dem Online-Schwerpunkt finden Sie auch die Texte aus den vier vorherigen Sonderausgaben.

Einem jungen Mann in Rollkragenpulli bedeutet Alomari, noch kurz zu warten, bis eine Sozialarbeiterin Zeit für ihn hat. Dann eilt sie zurück an einen anderen Tisch. Die Kaffeemaschine rattert. Man kann hier heiße Schokolade trinken, aber auch Fragen zum Asylverfahren stellen, Post vom Jobcenter mitbringen oder psychologische Unterstützung bekommen. Das Café International hilft beim Ankommen in Deutschland.

Vor fünf Jahren drückte eine Sachbearbeiterin im Jobcenter Alomari einen Flyer des Café International in die Hand. In Neubrandenburg hatte sie bis dahin nur ihren Ehemann und die vier Kinder, aber keine Freund*innen, und auch keine weiteren Verwandten. „Ich war so allein“, erinnert sich Alomari. Im Café habe sie viele Freundschaften aufgebaut. „Ich bin jetzt ein bisschen glücklich“, sagt sie.

Das Café ist ein Raum mit bunten Stühlen und Holztischen und einem Klavier in der Ecke. An der Bar gibt es Cappuccino und Tee, Kuchen und Orangensaft, alles auf Spendenbasis. Es soll ein Ort sein, an dem Menschen sich sicher und zu Hause fühlen können, sagt Leiterin Marie Ortmann, die selbst in einem Dorf in der Nähe von Neubrandenburg aufgewachsen ist.

Flüchtlingssommer 2015

Zehn Jahre Flüchtlingssommer 2015: Die großen Fragen von damals sind die großen Fragen von heute – ganz egal, ob es um Grenzkontrollen, Integration oder die AfD geht. Die taz sucht in einem Sonderprojekt Antworten.

Was macht einen Ort zu einem sicheren Ort?

Sicherheit beginnt, wenn man nicht mehr die ganze Zeit auf der Hut sein muss

Maryna Sachuk kam 2022 aus dem ukrainischen Charkiw nach Neubrandenburg

Ein Schutzraum ist das Café für die, die nicht ins rechtsextreme Weltbild passen. Rechtsmotivierte Straftaten haben im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht, mehr als 40.000 zählt die Statistik zu politisch motivierter Kriminalität von Bundeskriminalamt und Bundesinnenministerium. Aber was macht einen Ort zu einem sicheren Ort, in Neubrandenburg und überall? Und wann beginnt er, ein Gefühl von Zuhause zu geben?

„Hier im Café werden alle respektiert“, sagt Alomari. „Hier ist es zum Beispiel für alle in Ordnung, dass ich Kopftuch trage.“ Wenn sie aus der rot gestrichenen Tür tritt, ist das nicht immer so. Erst vor ein paar Wochen taggte jemand „Kommunistenbude“ an den Briefkasten des Cafés. An der Regenrinne daneben klebte kürzlich ein Sticker der jungen Nationalisten „gegen den Genderwahnsinn“. Rund 100 Meter neben dem Café habe ein Mitarbeiter kürzlich einen „I love NS“-Sticker entfernt. Vor dem Bahnhof der Kleinstadt darf die Regenbogenflagge mittlerweile nicht mehr gehisst werden, das Stadtparlament hat es im vergangenen Herbst verboten, unter anderem mit den Stimmen der AfD.

Im Café International in Neubrandenburg kommen unterschiedlichste Menschen zusammen Foto: Jens Gyarmaty

Im Café fühlt sich dieser Teil der Neubrandenburger Realität weit weg an. Arabische Popmusik dudelt aus den Lautsprechern. Fast alle Tische sind inzwischen belegt. Zum Mittagessen gibt es eine große Schüssel Kartoffelsalat mit Ei und sauren Gurken für alle Mitarbeitenden, Alomari hat gekocht. Eine junge Frau in Lederjacke kommt nur kurz zum Beten vorbei, sie hat gerade ihr Studium an der Hochschule nebenan begonnen. Ein älterer Mann sitzt mit Kaffeetasse und Apfelkuchen allein an einem Tisch und schaut auf die verregnete Straße.

Alomari fühlte sich das erste Mal zu Hause, als die Einsamkeit vorbei war, sagt sie. Sie ist Kurdin und 2018 vor dem IS aus Nordostsyrien geflohen. Im Café hat sie Deutsch gelernt, erst für die B1-Prüfung, dann B2. Seit August arbeitet sie im Café, übersetzt Arabisch und Kurdisch für Asylsuchende und organisiert jeden Donnerstag das Frauenfrühstück. „Ich bin so froh, dass ich so ein Team habe.“ Alomari klingt dabei ein bisschen stolz.

Sich wieder wie ein echter Mensch fühlen

„Sicherheit beginnt, wenn man nicht mehr die ganze Zeit auf der Hut sein muss“, sagt Maryna Sachuk. Die 41-Jährige ist 2022 aus dem ukrainischen Charkiw in ein Dorf in der Nähe von Neubrandenburg gekommen. Seit August arbeitet Sachuk als Psychologin für das Café International, das sich seit diesem Jahr um ein psychosoziales Zentrum für Geflüchtete erweitert hat. Viele von Sachuks Kli­en­t*in­nen leben in Gemeinschaftsunterkünften, „mit bis zu sechs Personen in einem Zimmer und Angst vor der Security“. Für viele fühle es sich dort an wie in einem Gefängnis, sagt Sachuk, weißer Wollpulli, weiße Hose, bunter Seidenschal. „Es gibt keine Privatsphäre, man muss sich immer unterordnen und weiß nie, wie lange man noch da sein wird und wann möglicherweise die Abschiebung kommt.“ Im Café hingegen sei man frei. „Viele meiner Klientinnen und Klienten sagen, dass sie sich erst im Café wieder wie echte Menschen fühlen.“

Samia Alomari ist 2018 vor dem IS aus Nordostsyrien geflohen Foto: Jens Gyarmaty

Es gebe aber noch einen anderen Grund, warum das Café so wichtig sei, sagt Sachuk. Viele der Menschen, die sie berate, hätten das Gefühl, außerhalb dieser Gesellschaft zu stehen und keinen Platz für sich zu finden. „Isolation und Ohnmacht, an der eigenen Situation nichts ändern zu können, sind der häufigste Grund für Depressionen und suizidale Gedanken.“ Das Café hingegen vermittle Zugehörigkeit. Auch für Sachuk, die sich nicht mehr vorstellen kann, in die Ukraine zurückzugehen.

Orte zu schaffen, an denen eine marginalisierte Gruppe vor der Diskriminierung auf der Straße sicher ist – mit diesem Ziel gründeten Schwule und Lesben in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg queere Bars in den USA. Zu einer Zeit, als Homosexualität noch kriminalisiert war, entstanden so Räume, in denen die Community zusammenkam und Menschen sie selbst sein konnten, zumindest bis zur nächsten Polizeirazzia. Später wurde das Konzept der „Safe Spaces“ von der Frauenbewegung genutzt. Heute wird häufiger die Bezeichnung „Safer Space“ anstatt „Safe Space“ verwendet. Sie soll verdeutlichen, dass kein Raum komplett frei von Diskriminierung sein kann, trotz dem Bemühen, ein solcher zu sein.

Maryna Sachuk ist 2022 aus dem ukrainischen Charkiw in ein Dorf in der Nähe von Neubrandenburg gekommen Foto: Jens Gyarmaty

Solche Safer Spaces wurden auch in Ostdeutschland geschaffen. In den 90er Jahren gründeten antifaschistische Jugendliche autonome Jugendzentren. Sie suchten nach Räumen, um sich vor gewaltbereiten Neonazis zu schützen. „An vielen Orten spielten Kirchen damals eine wichtige Rolle“, erklärt Robert Schiedewitz, der in den Baseballschlägerjahren gerade Jugendlicher war und in Mecklenburg-Vorpommern aufwuchs. Es ging darum, wer sein Privileg nutzt, nicht selbst Zielscheibe zu sein und anderen Schutz bieten zu können.

Ich fühle mich am sichersten, wenn eine Gruppe migrantischer Männer in der Nähe steht

Zyinab flüchtete mit ihrer Familie aus Syrien und wohnt heute in Demmin

Rechtsmotivierte Angriffe nehmen zu

Sichere Räume vor gewaltbereiten Rechtsextremen braucht es in Mecklenburg-Vorpommern auch heute. Schiedewitz arbeitet bei Lobbi e. V., der landesweiten Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt. Im Jahr 2024 zählte der Verein 150 rechtsmotivierte Übergriffe, 81 davon aus rassistischen Motiven. 2023 waren es noch insgesamt 113 Angriffe. 2024 richteten sich 40 Attacken gegen tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner und damit doppelt so viele wie im Vorjahr.

Verbale Anfeindungen, Diskriminierungen und Beleidigungen sind bei den Zahlen noch nicht eingerechnet. Was sich in Mecklenburg-Vorpommern abspielt, reiht sich in den bundesweiten Trend ein: Wie Opferberatungsstellen berichten, nahmen rechtsmotivierte, rassistische und antisemitische Angriffe bundesweit von 2023 bis 2024 um 24 Prozentpunkte zu.

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Schiedewitz erinnert die Eskalation der Gewalt auch an die Jahre nach dem Sommer der Migration. Die Angriffe auf politische Gegner seien damals aber noch nicht so ausgeprägt gewesen wie heute. „Linksalternative Strukturen und zivilgesellschaftlich Engagierte müssen sich jetzt plötzlich mit Schutzkonzepten beschäftigen, das gab es so lange nicht.“

In Demmin zum Beispiel. In der Kleinstadt knapp 50 Kilometer nördlich von Neubrandenburg sind die Straßen breit, aber nur wenige Menschen unterwegs. Vom Landratsamt blättert der Putz. Seit der Wende hat sich die Bevölkerung fast halbiert, knapp 10.000 Menschen sind noch übrig. Jedes Jahr zum 8. Mai pilgern Rechtsextreme in die Kleinstadt, um an den Massensuizid Demminer Bür­ge­r*in­nen kurz vor der Kapitulation der Wehrmacht zu erinnern. Bei der Bundestagswahl kam die AfD auf 47,3 Prozent der Wählerstimmen, die CDU folgte mit knapp 18 Prozent.

Im Schlaf heimgesucht

Viele der Menschen, die in das Café in Neubrandenburg kommen, müssen an anderen Orten der Stadt Angst haben Foto: Jens Gyarmaty

Wenn Zyinab abends in Demmin auf die Straße geht, trägt sie eine Jacke mit großer Kapuze. „Dann kann von hinten niemand erkennen, ob ich schwarze Haare habe oder blonde“, sagt sie. Zyinab möchte nur mit ihrem Vornamen in der Zeitung stehen. Wenige Wochen, nachdem sie 2018 mit ihrem Bruder und der Mutter zum Vater nach Demmin gezogen war, erlebte die damals 14-Jährige ihren ersten rechtsextremen Übergriff. Die syrische Familie wohnte in einer Erdgeschosswohnung.

Ein Rechtsextremer schlug gegen eines der Fenster, erzählt Zyinab. Als sich ein Flügel öffnete, habe er nach dem schlafenden Bruder gegriffen, der auf einem Sofa unter dem Fenster gelegen habe. Erst als Zyinabs Mutter es schaffte, den Mann wegzudrücken, habe er von dem 13-Jährigen abgelassen. „Der Übergriff hat meinen Bruder jahrelang verfolgt“, sagt Zyinab. Und sie auch. „Es gibt auch die guten Menschen in Deutschland, und sie sind die Mehrheit“, betont die junge Frau, die heute Medizin studiert. Aber wie soll man sich an einem Ort noch willkommen fühlen, nach einem solchen Erlebnis?

„Wenn ich ehrlich bin“, sagt Zyinab, „fühle ich mich am sichersten, wenn eine Gruppe migrantischer Männer in der Nähe steht, weil die mich nicht hängen lassen werden.“ Vor allem, wenn es so früh dunkel wird. Sicherheit, das ist für Zyinab nach ihren Erfahrungen primär eine Frage der körperlichen Unversehrtheit. „Als Allererstes lernt man Schimpfwörter, damit man erkennt, wann man beschimpft wird und sich Gefahr anbahnt“, sagt sie.

An einem Abend Ende Oktober sitzt Zyinab im Café 3K auf der Demminer Hauptstraße, die hier Clara-Zetkin-Straße heißt. Die Stoffvorhänge, einer in Dunkelrot und einer in Weiß, sind geschlossen. Am Fenster steht ein Tischkicker. Auf den runden Cafétischen aus dunklem Holz brennen Teelichter. An der Wand zieht sich eine gepolsterte Bank entlang. Im Nebenraum sitzen ukrainische Männer und Frauen um zusammengestellte Tische und bereiten sich auf ihre Deutschprüfung in der kommenden Woche vor.

Zum ersten Mal kam sie kurz nach dem Angriff ins Café 3K, obwohl die Angst der damals 14-Jährigen so groß war, dass sie ihre Eltern nicht mal dorthin begleiten wollte. „Heinz hat uns erst mal alles gezeigt, die Küche, die Sitzplätze, wo ich Bücher finden kann“, erinnert sich Zyinab. „Damit wir uns mit den Räumen vertraut fühlen, weil er schon wusste, dass wir vielleicht Angst haben.“

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Heinz Wittmer, der 2018 Zyinab und ihre Familie durch die Räume führte, ist dort bis heute aktiv. Der Projektkoordinator verbringt seine Tage im Café, meist „zu normalen Bürozeiten“ von 9 bis 18 Uhr. „Ich unterstütze geflüchtete Menschen hier im Ort bei allem Möglichen, vor allem bei der Wohnungseinrichtung und bei Papierkram“, sagt Wittmer.

Früher in der Klima- und Umweltschutzbewegung aktiv, setzt sich Wittmer seit 2016 im Café 3K für Geflüchtete und für eine demokratische, lebendige Stadtgesellschaft ein. In den Räumen trifft sich die örtliche Hospizgruppe, ein Obstbaumschnittkurs fand kürzlich hier statt und eine Lesung mit einem Comic-Autor. Wenn Be­ra­te­r*in­nen von Lobbi e. V. nach Demmin kommen, steuern sie das Café 3K an.

Regelmäßig werden Sticker an die Fenster des Cafés geklebt, mit Sprüchen wie „Deutschland meine Heimat“ in Reichsflaggenoptik oder „Good Night Left Side“. Anhänger der neonazistischen Jugendgruppe „Deutsche Jugend voran“ sind in Demmin aktiv. Auch eine leere Flasche landete schon am Fenster und zerstörte die äußere Glasscheibe. Wittmer selbst werde in Demmin als „Kartoffelheinz“ verspottet und wurde auch schon aus einer Demonstration von Co­ro­nal­eug­ne­r*in­nen heraus angegriffen. „Einmal wurde ich auch vom Fahrrad geschubst“, sagt Wittmer.

Parallelen zu den 1990er Jahren

„Dieses Gefühl der Täter*innenszene, zu gewinnen, bald am Zug zu sein, lässt an die Baseballschlägerjahre denken“, sagt Schiedewitz. Parallelen zu den 1990er Jahren sieht er auch darin, dass die Rechtsextremen für sich in Anspruch nähmen, den vermeintlichen Volkswillen zu vertreten. „Das verbindet den angetrunkenen Schläger vor dem Supermarkt mit den organisierten Neonazis: Die Überzeugung, es jetzt hier richten zu müssen, weil die da oben ja nichts tun.“ Auf der anderen Seite habe sich im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern eine „Kultur des Schweigens“ etabliert: „Viele Leute hoffen, dass sie nicht als Nächstes dran sind, wenn sie nur stillhalten.“

Wer aus anderen Ländern der Welt nach Deutschland kommt, findet im Café International in Neubrandenburg Unter­stützung Foto: Jens Gyarmaty

Das Café in Demmin hat Sicherheitsvorkehrungen ergriffen. An der Eingangstür warnt ein Schild die Ankommenden davor, dass die Räume videoüberwacht sind. Die Tür lässt sich mit einem Drehknauf von innen abschließen. Außerdem befindet sich das Café in einem Haus der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Sodass Rechtsextreme, die das Café angreifen, zugleich einen Angriff auf ein Haus der Stadt verübten, sagt Wittmer.

Zu Robert Schiedewitz’ Job gehört auch, mit bedrohten Orten wie dem 3K Sicherheitskonzepte zu erarbeiten. „Einbruchsicheres Fensterglas, feste Schließzeiten und Kameras“ bezeichnet er als „best practice“. Was Schiedewitz außerdem wichtig findet: Dass Gruppen miteinander über ihre Ängste sprechen und sich an der Person orientieren, die sich am unsichersten fühlt. „Wenn man darauf keine Rücksicht nimmt, zerstört das die Gruppe.“

Schiedewitz plädiert zudem für Allianzen mit Akteur*innen, die die Sicherheit erhöhen könnten. Zum Beispiel könnten für die Anmeldung von Demonstrationen Lo­kal­po­li­ti­ke­r*in­nen gewonnen werden, um die Demonstrierenden zu schützen. Von Anfang an einen guten Kontakt zu Ver­mie­te­r*in­nen zu pflegen, könne helfen, wenn es dann zu Angriffen komme.

Idee aus den 90er Jahren recycelt

„Am besten ist es aber, wenn die gar nicht erst vor unserer Tür auftauchen“, sagt Wittmer. „Wir versuchen, ganz viel präventiv zu machen.“ Das Café 3K nimmt an Stadtfesten teil. Mit dem Gemeinschaftsgarten, den der Heimatverein zusammen mit Mitgliedern des Cafés angelegt habe, sollte eine „Schmuddelecke“ der Stadt wiederbelebt werden und das Café nebenbei an Ansehen gewinnen. Als Anlaufpunkt für mobile Beratungsteams für Betroffene häuslicher Gewalt will sich das Café 3K auch anbieten. „Wir tun das alles, um mit der Stadtgesellschaft in Austausch zu sein“, sagt Wittmer.

In Berlin, wo Anhänger der Gruppierung „Deutsche Jugend voran“ und andere junge Rechtsextreme wie an anderen Orten zuletzt verstärkt Präsenz zeigten und zum Teil Angriffe verübten, haben Lo­kal­po­li­ti­ke­r*in­nen und Jugendclubs eine Idee aus den 90er Jahren wiederbelebt. Im Rahmen der „Aktion Noteingang“ sind Geschäfte, Cafés und öffentliche Einrichtungen eingeladen, einen Schutzraum zu eröffnen.

An der Tür oder am Schaufenster soll ein Schild angebracht werden, um Betroffenen zu signalisieren, dass sie vor einem Übergriff hier Zuflucht suchen können. Die Teilnehmenden lernen vorab in Workshops mit Rollenspielen, wie sie die Betroffenen in der Situation am besten schützen können. Bislang gibt es laut Koordinierungsstellen mindestens 150 Noteingänge, vor allem in Lichtenberg und Treptow-Köpenick.

In Demmin ist das Café 3K eine der wenigen Räumlichkeiten, die zum Zufluchtsort werden, wenn der wütende Mob durch die Straßen zieht und man schnell irgendwo hin muss, wo man die Tür hinter sich abschließen kann. Aber für Zyinab ist es mehr als das. „Hier fühlt man sich einfach willkommen“, sagt sie. „Jeder ist hier was wert.“ Für den 24. Dezember hat Wittmer eine Party im Café 3K geplant. Damit niemand alleine zu Hause bleibt.

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1 Kommentar

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  • Manchmal machen mich solche Artikel traurig und wütend zugleich.



    Es müssen "Schutzräume" entstehen, damit rechtsradikalen Drecksbanden, Einhalt geboten werden kann, soweit das überhaupt möglich ist. Bei dem Gedanken, das diese Situation sich noch verschlechtert, durch die anscheinend nicht mehr aufzuhaltende AfD bekomme ich das große Kotzen.



    Meinen enormen Respekt an das Café 3K!!!



    Sowas müsste finanziell Unterstützung finden!