Schwarzes Gold: Ein Wald von Bohrtürmen wie in Baku

Das Zentrum der deutschen Erdölindustrie lag einst bei Celle. Ein Museum erinnert an diese Geschichte. Heute untersuchen hier Geologen Bohrkerne aus aller Welt auf Hinweise nach Ölvorkommen. In Deutschland gibt es nicht mehr viel zu holen.

Ein Anblick wie im Wilden Westen oder am Kaspischen Meer: Ölförderung in Wietze um 1917. Bild: archiv

Penibel gepflegte Gärten, ruhig grasende Pferde und rustikale Bauernhöfe in rotem Klinker prägen die Region um Wietze. Die kleine Stadt am Rande der Lüneburger Heide war bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein die wichtigste deutsche Erdölstadt. Daran erinnern heute noch das Zentrallabor der Deutschen Erdöl AG (Dea) und das deutsche Erdölmuseum. Am Wochenende wird dessen 50. Gründungstag gefeiert und der 150. Jahrestag der ersten erfolgreichen Erdölbohrung unter der Regie des Geologieprofessors Georg Christian Konrad Hunäus.

Eine Gedenkstätte an der Industriestraße erinnert daran, dass in Wietze zum ersten Mal weltweit nach Erdöl gebohrt wurde. Professor Hunäus brachte seine Bohrung im Juni 1858 nieder. Kurz danach stieß Oberst Drake im US-Bundesstaat Pennsylvanien auf Öl.

Hunäus Bohrung war auf Braunkohle angesetzt. Damals ging man davon aus, dass die seit dem Mittelalter bekannten Wietzer Teerkuhlen auch auf tiefer gelegene Braunkohle-Flöze deuten. Anstatt Braunkohle anzutreffen, trat durch das Bohrloch Erdöl zu Tage.

Weil Energie zu dieser Zeit vor allem aus Kohle gewonnen wurde, interessierte der Fund zunächst niemanden.

"Noch heute gibt es auf dem Museumsgelände einen Fleck, wo schweres Öl an die Oberfläche gelangt. Vielleicht werden wir dort irgendwann wieder die Förderung aufnehmen", sagt Heiko Möller lachend. Möller ist der Leiter des RWE Dea-Labors in Wietze und Spezialist für die Analyse von Bohrkernen aus aller Welt. Die Zusammensetzung der Gesteinsschichten im Untergrund und deren Eigenschaften geben den rund dreißig Spezialisten im Labor konkrete Hinweise, womit die Bohrmeister in Mauretanien, Norwegen oder Deutschland rechnen können.

Das Unternehmen, eines der kleineren der Branche, sucht auf der ganzen Welt nach Erdöl und Erdgas. 2008 brachten seine Ingenieure 26 erfolgreiche Gas und Erdölbohrungen nieder. Vor allem im Ausland doch auch in Deutschland wird mit modernster Seismik nach den letzten Erdölblasen im Untergrund gesucht.

Nicht nur in Schleswig Holstein sind die schweren Traktoren mit dem Bohrgestänge und die Vibrationstrucks unterwegs, um dreidimensionale Bilder des Untergrunds zu zeichnen, sondern auch im Gifhorner Trog. Der liegt nur einige Kilometer von Wietze entfernt. RWE Dea-Pressesprecher Derek Mösche hofft dort auf einige kleinere Fundstätten. "Generell ist in Deutschland nicht mehr mit größeren Vorkommen zu rechnen, denn die wurden wie in Wietze längst ausgebeutet", sagt er.

Der überraschende Fund interessierte niemanden

Die Gegend rund um Wietze war einst gespickt mit Bohrtürmen wie ein Rehrücken mit Speck. Wie auf den Ölfeldern in Baku, Pennsylvania oder Texas sah es in der Lüneburger Heide aus. Mit Kellen wurde das zähflüssige Öl, welches aus hunderten von Bohrlöchern quoll, in ausrangierte Heringsfässer geschöpft und per Pferdefuhrwerk zur Bahnstation geschafft. Von dort wurde das schwarze Gold in die Raffinerien von Hamburg und Bremen transportiert.

Dass es Öl in der Region gab, war schon früh bekannt. "Teerkuhlen" nannte man die Löcher auf den Feldern, wo schweres, klebriges Öl austrat. Damals ging man davon aus, dass Öl seine "Entstehung dem Gärungs- und Erhitzungsprozess oder den unterirdischen Glühungen der fossilen Kohlenlager" verdanke. Dort wo Öl austrat, musste sich, so die weit verbreitete These, ein größeres Kohleflöz befinden. Deshalb ließ Professor Hunäus 1858 sein Bohrgestänge genau neben einer Teerkuhle aufstellen. Der renommierte Mann war im Auftrag des Königshauses von Hannover unterwegs, um mit insgesamt 13 Bohrungen nach Rohstoffen wie Kohle und Braunkohle zu suchen.

"Im Mai 1859 traf der primitive Bohrmeißel dann auf eine ölführende Schicht", erzählt Martin Salesch, der Direktor des Erdölmuseums von Wietze. Er ist der Herr über die letzten Bohrtürme von Wietze und kennt sich bestens aus in der mit Erdöl geschriebenen Geschichte der Kleinstadt. Aus gerade sieben Bauernhöfen bestand Wietze als Hunäus auf Öl stieß. Doch der überraschende Fund interessierte weder den Geologieprofessor noch die Leute in Wietze.

Kohle war damals weitaus gefragter als Öl. Mitte des 19. Jahrhunderts benutze man in Deutschland Erdöl nur in bescheidenen Mengen als Schmiermittel, zu Beleuchtungs- aber auch zu Heilzwecken. Erst mit der Ende des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland durchgreifenden Industrialisierung wurde die Nachfrage nach Leuchtölen, vor allem Petroleum, größer, erklärt Martin Salesch.

Erdölbonanza mit stattlicher Verzögerung

Da erinnerte man sich auch wieder an die Vorkommen in der Lüneburger Heide und dem Bohrunternehmer Friedrich Hasenbein war es 1899 vergönnt, mit seiner erfolgreichen Bohrung den Erdölboom in der Heide zu initiieren. Fortan ging das Erdölfieber in der Lüneburger Heide um. Mehr als 350 Bohrungen wurden bis 1904 unternommen und die Förderung stieg sprunghaft an.

27.731 Tonnen waren es ein Jahr nach der erfolgreichen Hasenbein-Bohrung. Zehn Jahre später konnte der Bedarf des Deutschen Reiches von 100.0000 Tonnen allein aus dem Ölfeld von Witze gedeckt werden. Für die Region wurde das Erdöl zum dominierenden Wirtschaftsfaktor. Mehr als 1600 Arbeiter schufteten zur Hochzeit auf dem Ölfeld und sorgten dafür, dass aus dem kleinen Dorf im Laufe der Jahre das deutsche Klein-Dallas wurde.

Wichtigstes Unternehmen vor Ort wurde die "Deutsche Erdöl-Aktiengesellschaft" (Dea), die angesichts nachlassender Ergiebigkeit der Vorkommen nach und nach zahlreiche Gesellschaften in Wietze übernahm und später zum größten Erdölunternehmen des Deutschen Reichs aufstieg. Das damalige Firmen-Emblem mit dem stilisierten roten Bohrturm ist ebenfalls im deutschen Erdölmuseum zu sehen. Allein dessen Ausstellungshalle ist 600 Quadratmeter groß. Dazu kommt noch ein zwei Hektar großer Außenbereich.

Letzterer ist Teil des ehemaligen Ölfeldes "Schwarzer Weg". Dieses wurde bis ins Jahr 1964 von der Dea ausgebeutet und 1969 im Originalzustand - sprich mit allen Geräten, Pumpanlagen und sonstigen Ausstellungsstücken - an die Gemeinde Wietze übergeben. Einzige Auflage: Ein Museum sollte auf dem Gelände entstehen. So kam Wietze zum "Deutschen Erdölmuseum".

Bei den anstehenden Jubiläumsfeiern wird Laborleiter Möller natürlich zugegen sein und vielleicht auch einige Worte zur aktuellen Fördersituation in Deutschland verlieren. Das wichtigste deutsche Ölfeld heißt Mittelplate und liegt im Wattenmeer. Derzeit werden gerade drei Prozent des Bedarfs aus heimischen Erdölfeldern, die vor allem in Schleswig-Holstein und Niedersachsen liegen, gedeckt. Die Fördermenge ist rückläufig. "Bei Gas sieht es hingegen etwas besser aus", sagt der RWE Dea-Mann. "Da werden immerhin knapp zwanzig Prozent des Bedarfs in deutschen Landen gefördert." Allerdings ist auch hier in Tendenz sinkend und eine Ölbonanza wie einst in Wietze wird es wohl nie wieder geben.

Am 6. Juni feiert dasErdölmuseum die erste erfolgreiche Bohrung

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