Schwedischer Pirat Rick Falkvinge: „Der eigene Erfolg kann auch Gift sein“

Der Begründer der Piratenbewegung, Rick Falkvinge, über die Macht deutscher Piraten, Koalitionen als Spieltheorie und was die Piraten noch lernen müssen.

„Nun müssen wir lernen, wie wir auch wiedergewählt werden“, sagt Rick Falkvinge. Schon bei der Europawahl 2009 wurde die Piraten-Flagge geschwungen. Bild: reuters

taz: Herr Falkvinge, Sie gelten als der Mitbegründer der weltweiten Piratenbewegung, die in Schweden ihren Anfang nahm. Wo in Europa sind die Piraten derzeit am mächtigsten?

Rick Falkvinge: Zweifellos in Deutschland. Was hier passiert, hätte noch vor Monaten niemand erwartet. Als ich 2006 die Idee für eine Piratenpartei hatte, habe ich gesagt: Erst erobern wir Schweden, dann Europa, dann die Welt. Aber dass es gleich so schnell geht?!

Bei allem Erfolg – in Deutschland sitzen die Piraten in gerade mal zwei Landesparlamenten.

Es gibt aber keinen Zweifel daran, dass sie die Gewinner der kommenden Wahlen sein werden. Wenn mit der nächsten Bundestagswahl das Machtgefüge in Deutschland verschoben werden kann, dann heißt das, dass durch die Piraten in ganz Europa eine neue Machtbalance entstehen kann.

In Ihrer Heimat Schweden sinken die Mitgliederzahlen. Bei der letzten Wahl holten Sie nichtmal ein Prozent.

Natürlich sind die Ausgangssituationen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich. Piraten in Serbien empfinden auch Vorstellungen westeuropäischer Piraten zum Urheberrecht häufig noch als rückschrittlich. Weil Kulturgüter während der Balkankriege Luxusgüter waren, wurden Filme und Musik dort aus reiner Selbsthilfe schon lange massenhaft kopiert. Aber es gibt sehr starke, verbindende Themen. Bürgerrechte, Zensur und Meinungsfreiheit – das sind globale Themen, die viele Leute in vielen Ländern heute bewegen.

40, gilt als Begründer der weltweiten Piratenbewegung. Der schwedische Informatiker war von 2006 bis 2011 Vorsitzender der Piratenpartei in Schweden. Heute reist er als „Politischer Prediger“ um die Welt, um für eine globale Piraten-Community zu werben.

Und was lässt sich von der Situation in Deutschland lernen?

Ich habe nach dem Wahlerfolg zum Berliner Abgeordnetenhaus begriffen, dass die Piraten sich Vollprogramme zulegen müssen, um von breiten Wählerschichten ernst genommen zu werden. Das ist allein schon wichtig, um der psychologischen Blockade vieler Wähler zu begegnen, die noch immer meinen, die Piraten seien eine Protestpartei. Und es gibt viele andere Ideen, die wir kopieren können – denken Sie nur an die brillianten Wahlkampfplakate aus Berlin.

In Deutschland träumen manche Piraten schon von Regierungsverantwortung – ist das nicht größenwahnsinnig?

Natürlich muss man auf dem Teppich bleiben. Andererseits: Eine Koalition zu bilden, ist reine Spieltheorie. Und Spieltheorie ist nun wirklich etwas, womit Piraten vertraut sind – das können wir im Traum.

Das klingt ziemlich rosarot.

Natürlich kann der eigene Erfolg auch Gift sein. Wir haben jetzt gelernt, wie wir gewählt werden können. Nun müssen wir lernen, wie wir auch wiedergewählt werden. Aber Sie müssen sich auch daran erinnern, dass niemand vor sechs Jahren vermutet hätte, was heute mit den Piraten entstanden ist. Ich sehe mittelfristig ein Wählerpotenzial von rund 20 Prozent. Bereits für die kommende Generation können die Piraten eine Volkspartei sein.

Martin Kaul berichtet für die taz über die Piraten und twittert unter @martinkaul.

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